Anwalt musste draußen bleiben

Fragwürdige Polizeimethoden bei Hausdurchsuchungen in linker Szene

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Gleich in drei Städten durchsuchten Polizeibeamte am Dienstagmorgen die Wohnungen vermeintlicher Linksextremisten. Dabei ging es nicht immer korrekt zu. So verweigerten die Beamten in Rostock einem Anwalt gar den Zutritt zur Wohnung seines Mandanten.

Als die Polizei auf der Frankfurter »Blockupy«-Demonstration am 1. Juni Hunderte friedliche Teilnehmer einkesselte, stundenlang festhielt und dabei mehr als 300 verletzte, schlugen die Wogen der Empörung hoch - auch an der Ostseeküste. In Rostock kam es kurz darauf zu einer nicht angemeldeten »Solidaritätsbekundung«. Etwa 60 Menschen zogen unangemeldet durch die Innenstadt, zündeten Feuerwerk und bewarfen Geschäfte und Bankfilialen mit Farbbeuteln. Nach 15 Minuten war der Spuk vorüber. Die eilig zusammengezogenen Polizisten konnten niemanden verhaften. Lediglich einige Personalienfeststellungen meldete der Polizeiticker. Später in der Nacht warfen Unbekannte mehrere Scheiben am Rostocker Amtsgericht ein.

Warum die Polizei nach mehr als drei Monaten die Vorfälle zum Anlass für Hausdurchsuchungen nahm, erschließt sich dem Laien nur schwer. Jedenfalls durchsuchten Beamte in Rostock, Greifswald und Berlin am Dienstag gleich mehrere Privatwohnungen und einen Geschäftsraum.

Dabei zeigten sich insbesondere die Beamten in Rostock wenig zimperlich. In einem Fall verweigerten sie einem Anwalt gar den Zutritt zur Wohnung seines Mandanten. Dieser hat als Mieter das Hausrecht und kann seinem Rechtsvertreter den Zutritt ausdrücklich gestatten. Kaum zu glauben, dass die eingesetzten Beamten dies nicht wussten. »Mein Mandant hatte noch versucht, mich mit seinem Handy zu erreichen«, erinnert sich Anwalt Michael Noetzel gegenüber »nd«. Doch bevor die beiden miteinander reden konnten, wurde dem Beschuldigten das Telefon aus der Hand genommen. Die Polizei fürchtete offenbar, er könne Gesinnungsgenossen warnen. In der Zwischenzeit hatte Anwalt Noetzel aber bereits die Wohnung seines Mandanten erreicht. »Man schlug mir die Tür quasi vor der Nase zu«, empört sich der Jurist. Daraufhin klingelte er und rief laut vernehmlich, dass er der Anwalt des Beschuldigten sei. Die Polizisten reagierten auch und stellten nach »zwei bis drei Minuten die Klingel einfach ab«, so Noetzel.

Der Anwalt versuchte daraufhin, die zuständige Richterin zu erreichen - vergeblich. Letzte Chance war der zuständige Staatsanwalt. Als Noetzel diesen tatsächlich an den Hörer bekam, rief er durch die Tür: »Ich habe den Staatsanwalt am Telefon.« Das wirkte. Kurze Zeit später wurde ihm geöffnet. Bis dahin waren bereits mehr als zwanzig Minuten vergangen. Ein Polizist entschuldigte sich mit der Behauptung, er habe den Anwalt nicht gehört. »Dabei konnte ich ihre Stimmen im Hausflur selbst durch die geschlossene Tür hören«, meint Michael Noetzel. Der Polizist an der Tür soll auch kein normaler Beamter gewesen sein, sondern Mitglied der Sondereinheit MAEX (Mobile Aufklärung Extremismus).

Michael Noetzel vertritt seit Jahren Mandanten aus der linken Szene und hat dabei »schon einiges erlebt«. Doch die »Dreistigkeit« mit der ihm die Polizisten am Dienstag den Zugang verwehrten, habe er »so zum ersten Mal erlebt«, resümiert der Anwalt. Zumal der Vorfall in Rostock nicht der einzige Rechtsverstoß bei der Polizeiaktion blieb.

Wie das Internetportal »Kombinat Fortschritt« unter Berufung auf die Rote Hilfe meldete, durchsuchten die Beamten auch Räumlichkeiten einer Person, »gegen die gar kein entsprechender Gerichtsbeschluss vorlag und die sich auch nicht in der Wohnung aufhielt«.

In einem weiteren Fall hätten Beamte einen Betroffenen zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung genötigt. Dem jungen Mann wurde mit Untersuchungshaft gedroht, diese Strafe sei für eine Verweigerung gar nicht vorgesehen, so die Rote Hilfe. Zudem hätte man versucht, »ihn als Informant anzuwerben«. Nach Angaben von »Kombinat Fortschritt« handelte es sich »um die größte Durchsuchungswelle gegen Linke« in Mecklenburg-Vorpommern seit mindestens zehn Jahren. Die Rote Hilfe prüft derzeit auch rechtliche Schritte gegen die Polizeibeamten.

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