Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Mittwoch, 8. Mai 2024

Trend zur Zwangsräumung:
Zahl der Zwangsräumungen in Berlin deutlich gestiegen

Tuntenhaus wackelt:
Wichtige Frist rückt näher und Bewohner*innen fahren nach Bayern

Festgefahrenes System Auto:
Sprecherin der Protest-Bewegung Disrupt Tesla im Interview
Patrick Volknant
Guten Morgen,

wer regelmäßig seinen »Muckefuck« genießt, dem sollten Name und Schicksal bekannt sein: Manfred Moslehner, genannt »Manne«, kämpft um die Reinickendorfer Wohnung, in der er seit seiner Geburt lebt. Der Vermieter will modernisieren, doch für die Mieterhöhung reicht Mannes Rente nicht aus. Nach 84 Jahren droht dem ehemaligen Maschinenschlosser die Zwangsräumung – ein Schicksal, das immer mehr Menschen in der Hauptstadt ereilt, wie neue Zahlen zeigen.

Von 2.369 Zwangsräumungen im Jahr 2023 berichtet Berlins Senatsverwaltung für Justiz auf Anfrage des Linke-Abgeordneten Niklas Schenker. Das ist ein deutlicher Sprung im Vergleich zum Vorjahr: 2022 waren es noch 1.931 Menschen, die aus ihren Wohnungen entfernt wurden. Hauptgrund für die Räumungen sind Mietschulden, die zu einer Kündigung des Mietvertrags führen. Nach einer erfolgreichen Räumungsklage schaut schließlich die Gerichtsvollzieherin oder der Gerichtsvollzieher vorbei.

Beim Blick in die einzelnen Amtsgerichtsbezirke, nach denen bei der Erfassung von Zwangsräumungen aufgeteilt wird, offenbaren sich einige Unterschiede. Mit 538 Fällen führt Lichtenberg die Statistik an, gefolgt von Wedding und Kreuzberg mit jeweils 378 und 306 Räumungen. Die restlichen Amtsgerichtsbezirke bewegen sich unterhalb der 200er-Marke. Die wenigsten Zwangsräumungen wurden mit 86 Fällen in Pankow registriert, den eigentlich einwohnerstärksten Bezirk Berlins.

Die ungleiche Verteilung ist auch Anfragesteller Schenker nicht entgangen. »Schon 2021 und 2022 gab es die meisten Fälle in Lichtenberg«, teilt er dem »Muckefuck« mit. Angesichts der steigenden Mieten und Heizkosten befürchtet der Linke-Politiker, dass im laufenden Jahr die Zahlen sogar noch weiter steigen. Berlins Ziel, Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden, rücke durch den aktuellen Umgang mit Zwangsräumungen in weite Ferne. »Dieser Senat hat offenbar kein Interesse daran, die Anzahl der Zwangsräumungen zu minimieren«, kritisiert Schenker. Unter Rot-Grün-Rot sei es gelungen, immerhin die Räumungen bei den Landeseigenen zu reduzieren.

Tatsächlich hat die aktuelle schwarz-rote Koalition unter dem Vorgänger-Senat ins Leben gerufenes Modellprojekt zur Räumungsminimierung Ende vergangenes Jahr eingestellt. Das Programm sollte Betroffenen eine Möglichkeit zur zusätzlichen juristischen Beratung geben. Schenker fordert jetzt »endlich wirksame Maßnahmen gegen Zwangsräumungen«: einen Mietendeckel, besseren Schutz vor Kündigungen und einen Ausschluss von Zwangsräumungen in die Obdachlosigkeit. Doch dafür müsse die Ampel im Bund erst einmal den Weg frei machen.

Bild des Tages

»Schon wieder Die Grauen Panther?« Martin Schirdewan (Linke) schaut bei der Vorstellung des neuen Wahl-O-Mats in Berlin erschrocken drein. | Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

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Mit dem Tuntenhaus steht derweil auch in Prenzlauer Berg eine weitere Mietgemeinschaft vor dem Aus, wenn auch nicht irgendeine. Der Bau an der Kastanienallee 86 gilt als eines der bemerkenswertesten Wohngebäude Berlins, seit Jahrzehnten geprägt durch das älteste queere Hausprojekt der Hauptstadt. Damit aber könnte es schon bald vorbei sein, sollten die neuen Eigentümer*innen die sogenannte Abwendungsvereinbarung bis zum 15. Mai unterzeichnen. Nur wenn er die Konditionen nicht annimmt, kann das Land sein Vorkaufsrecht wegen Baufälligkeit geltend machen. Der Senat hatte dem Wohnprojekt zuletzt seine Unterstützung zugesichert.

Die letzten Tage der Entscheidung sind also für das Tuntenhaus angebrochen und die Bewohner*innen gehen noch einmal in die Offensive – und das in Bayern. In Wörth, nordöstlich von München, haben Unterstützer*innen des Hausprojekts am Wochenende für Wirbel gesorgt. Der Grund: Wörth ist die Heimatstadt der neuen Besitzer*innen. Glaubt man jüngsten Berichten, erwägen sie, die Vereinbarung zu unterschreiben, die sie zum Erhalt der Baustruktur, nicht aber des Hausprojektes an sich zwingt. Unsere Reporterin Jule Meier hat sich bereits mehrfach mit dem Tuntenhaus beschäftigt und bringt euch auf den aktuellen Stand der Dinge.

Weiter gerungen wird auch um den möglichen Ausbau des Tesla-Werkes in brandenburgischen Grünheide. Aktivist*innen sehen das Vorhaben des Musk-Konzerns mehr als kritisch. Sie machen sich sorgen um die Umwelt: Für den Ausbau der E-Auto-Fabrik, die sich teilweise in einem Trinkwasserschutzgebiet befindet, müsste ein angrenzendes Waldstück gerodet werden. Ein Protestcamp hat dort bereits Stellung bezogen und sich mit Baumhäusern im Wald verschanzt. Nun stehen weitere Aktionen an, vom heutigen 8. Mai bis zum Sonntag, den 12. Mai.

Zum Bündnis »Tesla den Hahn abdrehen« gesellt sich dabei die Bewegung Disrupt Tesla. In ihrer ersten großen Aktion ruft sie zu Protesten gegen den Ausbau auf und will die Fabrik blockieren. »Im Camp werden wir uns kennenlernen, uns vernetzen – und dann werden wir gut vorbereitet den Ausbau der Fabrik stoppen«, kündigt Lucia Mende, Sprecherin von Disrupt Tesla, im Interview an. Muckefuck-Autorin Lola Zeller hat für euch mit ihr gesprochen und sie zu den Motiven der Bewegung befragt. Dabei geht es auch um das Verhältnis zur IG Metall, die den Ausbau befürwortet.

Konzentriert sich hingegen auf den Ausbau der Muckefuck-Leser*innenschaft:
Patrick Volknant
Auch wir Journalist*innen müssen unsere Bohnen verdienen:
Ich trage zur Kaffeekasse bei!

Was heute noch wichtig ist:

Berlin: Gasag ohne Gas

Zwei Drittel der Gebäude in Berlin werden aktuell mit Erdgas beheizt. Nach und nach will die Gasag auf Wasserstoff und Nahwärme umstellen. Auch eine Rekommunalisierung dürfte an diesem Kurs wenig ändern.

Marten Brehmer

Grenzwertige Grenzkontrolle

Große Teile der Bevölkerung wünschen sich weniger Flüchtlinge in Deutschland. Darum gibt es seit 2023 wieder Grenzkontrollen, obwohl unklar ist, was diese bringen. Die Regierung demonstriert damit populistisch Stärke.

Andreas Fritsche

Aufgemuckt

»Es wird groß, bunt, vielfältig, und es wird für alle etwas dabei sein.«

Lucia Mende
Sprecherin von Disrupt Tesla über die kommenden Protesttage
Comics & Adorno

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8. Mai um 18:00 Uhr, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Eintritt frei

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Der 8. Mai ist ein besonderer Tag – und in diesem Jahr ein ganz besonderer. Vor allem natürlich: Wir begehen den Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus. Zum anderen wurde an jenem Tag vor 20 Jahren in Rom die Partei der Europäischen Linken als Zusammenschluss progressiver Kräfte in Europa gegründet. Und: Heute ist noch genau ein Monat Zeit bis zu den Europawahlen. Wie sollen sich Europas Linkskräfte gegen rechts aufstellen? Was können Die Linke und ihre Kandidat*innen den undemokratischen Kräften entgegensetzen? Heute Abend diskutieren unter anderem Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzender der Linkspartei und Spitzenkandidat zur Europawahl, Walter Baier, Präsident der Europäischen Linken, Cornelia Hildebrandt, Ko-Vorsitzende von Transform Europe, Heinz Bierbaum, Vorstandsvorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Özlem Demirel, die Europaabgeordnete und Kandidatin der Linken zur EU-Wahl sowie der Publizist Raul Zelik. Jetzt noch schnell hier anmelden!

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