Feine Partikel besonders gefährlich

Öffentliches Fachgespräch der Grünen in Eichwalde zum Ultrafeinstaub am BER

  • Marko Ferst
  • Lesedauer: 4 Min.
Bei 300 000 Starts und Landungen im Jahr würden am Flughafen BER täglich acht Tonnen Schadstoffe ausgestoßen, rechnet Professor Oswald Rottmann vor.

Während der Fluglärm in der Diskussion um den neuen Hauptstadtairport BER in Schönefeld eine zentrale Rolle spielt, bleiben Abgase und Ultrafeinstaub bislang völlig unterbelichtet. Dies wollte die Landtagsfraktion der Grünen anfangen zu ändern. Sie lud zu einem öffentlichen Fachgespräch in die alte Feuerwache von Eichwalde ein, zog drei Experten hinzu.

Bisher wird Ultrafeinstaub im Umfeld des BER nicht gemessen. Wolfgang Schwämmlein ist Sprecher der Arbeitsgruppe Feinstaub beim Bündnis der Bürgerinitiativen im Umfeld des Flughafens Frankfurt am Main. Schwämmlein zeigte in Eichwalde einem kurzen Videobeitrag, wie die Bürgerinitiativen mit einem mobilen Messgerät in Raunheim direkt unter einem startenden vierstrahligen Flugzeug einsetzen. Von 23 000 auf 31 700 Partikel Feinstaub pro Kubikzentimeter stieg kurz nach dem Überflug der Pegel, sank allmählich, um beim nächsten Überflug erneut anzusteigen.

Professor Oswald Rottmann, einst an der Technischen Universität München tätig, rechnet für den BER bei 300 000 Starts und Landungen im Jahr mit acht Tonnen Schadstoffen pro Tag. Akribisch listete Rottmann von den Stickoxiden über Schwefeldioxid bis hin zum Ruß auf, was ausgestoßen wird. Als Umweltschadstoffe riskant sind zum Beispiel polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, einige davon krebserregend. Insgesamt kommen aus den Flugzeugtriebwerken über 250 verschiedene chemische Verbindungen. Während Partikel mit 10 000 bis 2500 Nanometer Größe in den oberen Atemwegen hängen bleiben, führte der Professor aus, werden solche, die kleiner als 100 Nanometer sind, selbst von den Lungenbläschen nicht zurückgehalten und nehmen die Schadstoffe, die an ihnen haften, direkt mit ins Blut. Wolfgang Schwämmlein erläuterte, beim Start einer Boeing 767 oder eines Airbus A 330 werden pro Sekunde eine Billion Ultrafeinstaubpartikel ausgestoßen. Bisher kommt es bei offizieller Messung auf die Schwere der Partikel an, nicht darauf, wie giftig sie sind. Längst misst man in den USA neben der groben Feinstaubfraktion vor allem die feinen Partikel unter 2500 Nanometern und setzt auch Grenzwerte für diese Gruppe.

Der Landtagsabgeordnete Christoph Schulze (Freie Wähler) stellte zu diesem Problem eine Anfrage an die rot-rote Landesregierung. Die Regierung sieht aber keinen Bedarf für Messungen. Hessen immerhin misst inzwischen an zwei Stellen.

Wolfgang Schwämmlein verwies bei dem Gespräch in Eichwalde auf aufwendige Erhebungen am Flughafen in Los Angeles. Autos fuhren ständig weiträumig feste Routen ab. Das ergab bei Westwind über der Stadt eine vier- bis sechsfache Konzentration an Ultrafeinstaub.

Professor Hans Behrbohm, Chefarzt der HNO-Abteilung in der Parkklinik Berlin-Weißensee, erläuterte, innerhalb von drei Stunden werden die Partikel durchschnittlich 30 Kilometer weit transportiert. Die Gefahren sind also nicht nur auf das unmittelbare Umfeld des BER beschränkt. Beim Ultrafeinstaub spielen Grenzwerte eine untergeordnete Rolle. Individuelle genetische Voraussetzungen entscheiden darüber, ob jemand erkrankt oder nicht. Kinder, Alte und chronisch Kranke sind besonders gefährdet. Auf die Frage nach besseren Krankheitsregistern meinte Behrbohm, man wisse, dass Flugabgase Krebs, Schlaganfälle und Herzinfarkte auslösen können und es sei ethisch unvertretbar, in so dicht besiedeltem Gebiet einen Flughafen zu betreiben.

Manchmal sind aber auch große Partikel ein Problem, erklärte eine Frau aus Berlin-Müggelheim. Ein kiloschwerer Eisbatzen, der sich von einem landenden Flugzeug gelöst hatte, zerschlug vor einigen Tagen ein Glasvordach im Ort.

Im Publikum gab es auffällig viel Sachverstand, vereinzelt waren die Leute auch aus anderen Flughafenregionen Deutschlands angereist. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel wurden unbequeme Fragen gestellt. Wie denn zum Beispiel das Verhalten der Grünen in Hessen zu erklären sei, deren Flughafenpolitik. Fraktionschef Vogel versprach, dass sich die Grünen in Brandenburg für das Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr weiter engagieren werden. Wie die LINKE forderte er, den innerdeutschen Flugverkehr auf die Schiene zu verlagern. Außerdem rief Vogel dazu auf, Menschen anzusprechen und sie dazu zu bewegen, in Brandenburg das Volksbegehren gegen eine dritte Startbahn am BER zu unterschreiben. Dieses Volksbegehren läuft nur noch bis zum 18. Februar und es wird befürchtet, dass es eng werden könnte. Insgesamt 80 000 Unterschriften müssen auf den letzten Metern zusammenkommen.

Am vergangenen Dienstag hatten die Initiatoren zu einem Termin vor der CDU-Landesgeschäftsstelle in Potsdam eingeladen. Mit einer Telefonaktion demonstrierten sie der Partei dort, was Fluglärm für die Anwohner bedeutet. Anlass waren Äußerungen der CDU-Landtagsabgeordneten Dierk Homeyer, der sich den Ausbau des BER zu einem Drehkreuz vorstellen kann.

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