Die NATO und der Osten

Annotiert

  • Hans Voss
  • Lesedauer: 2 Min.

Jetzt soll die NATO also auch Schlepper und Flüchtlinge stoppen? Zudem will man, wie aus Brüssel zu hören war, die Truppen in Osteuropa aufstocken. Man will in Polen, Bulgarien, Rumänien und im Baltikum Präsenz zeigen wie nie zuvor seit Ende des Kalten Krieges. Und zwar als ein »klares Signal« an Russland , wie NATO-Chef Stoltenberg sagte. Da ist die Katze aus dem Sack.

Vor zwei Monaten brüskierte das Bündnis Russland mit der Ankündigung, Montenegro als 29. Mitglied aufzunehmen. Warum? Eine Erweiterung der militärischen Potenzen der NATO durch diesen Kleinstaat ist nicht zu erwarten. Geht es um einen neuen Militärstützpunkt in lukrativer Lage? Oder was?

Es mag purer Zufall sein, dass auf dem deutschen Büchermarkt jüngst mehrere Publikationen erschienen, die das Problem der NATO-Osterweiterung im Kontext mit der deutschen Vereinigung diskutieren, darunter ein 250-seitiges Buch aus der Feder des früheren »Bild«-Journalisten Peter Brinkmann unter dem Titel »NATO-Expansion. Deutsche Einheit und Osterweiterung« (Edition Ost) und eine 770 Seiten starke Dokumentation des Münchner Instituts für Zeitgeschichte. Die Historiker berichten, dass die NATO-Führung 1990 alles unternahm, um den Kreml im Glauben zu bestärken, der westliche Militärpakt werde sich einer gründlichen Reform unterziehen. Aus einem vorwiegend militärisch ausgerichteten Instrument solle eine Institution der politischen Kooperation entstehen. Auf der NATO-Gipfelkonferenz vom Juli des Jahres in London habe man Abschied genommen von der Logik eines atomaren Erstschlages und Präventivverteidigung. Begleitet wurden diese Ankündigungen von der Versicherung, die KSZE werde künftig eine größere Rolle spielen. Gorbatschow wollte diesen neuen Tönen nur zu gern glauben. Seine Hoffnungen schien die KSZE-Gipfelkonferenz im November 1990 in Paris zu bestätigen; sie kündigte eine Reform der europäischen Sicherheitsstrukturen an. Letztlich jedoch änderte sich nichts. Im Gegenteil, es wurden Entscheidungen eingeleitet, um Staaten in Mittel- und Osteuropa an die NATO zu binden. Partnerschaftsabkommen mündeten in Neuaufnahmen.

Nach wie vor ist die Frage umstritten, wer wem was versprochen hat. In der erwähnten Dokumentation wird der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher zitiert, der in einer Rede vor der Evangelischen Akademie in Tutzingen sagte, »eine Ausdehnung des NATO-Territoriums nach Osten, d. h. näher an die Grenzen der Sowjetunion heran, wird es nicht geben. Diese Sicherheitsgarantien sind für die Sowjetunion und ihr Verhalten bedeutsam.« Er wiederholte dieses Versprechen später nicht mehr. Bemerkenswert ist, dass der Originaltext seiner Rede im Archiv des Auswärtigen Amtes nicht mehr auffindbar ist. Hans Voss

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