Camille Claudel
Das Besucherinteresse für das Kunsthaus Apolda Avantgarde im Weimarer Land erreicht zur Zeit ungewöhnliche Ausmaße. Es gilt einer Frau: Camille Claudel (1864-1943), die vor 100 Jahren mit ihrem Genie die Männer-Domäne der Bildhauerei im Sturm eroberte. Die Französin gilt inzwischen als erste bedeutende europäische Bildhauerin. Doch manche Nachschlagewerke vermerken sie heute noch lediglich als »Rodin-Schülerin«.
Die aktuelle Schau in Apolda umfasst mit 62 Skulpturen sowie acht Zeichnungen 90 Prozent der erhaltenen Werke der Künstlerin. Es ist ein Freudenfest der Sinne, mit dem die engagierten Ausstellungsmacher um Hans-Dieter Mück ein weiteres Mal deutlich aus dem Schatten der nahen Kulturstadt Weimar heraustreten. 13 Jahre kämpften sie um diese Schau.
Mit sechs Jahren begann sie, Ton zu modellieren, als 12-Jährige wurde sie vom Bildhauer Alfred Boucher entdeckt, mit 15 schuf Camille Claudel 1879 ihre erste Porträtbüste: Bismarck. 1881 übersiedelte die Familie nach Paris, wo das Mädchen mit Billigung des Vaters und gegen den Widerstand der Mutter die private Akademie Colarossi besuchte und ein Jahr später mit ihrer Porträtbüste »Die alte Helene« im Pariser Mai-Salon ausgestellt wurde. Bereits die 17-jährige Elevin verblüffte die Fachwelt und sogar den berühmten Auguste Rodin, der sie während einer eigenen Schaffenskrise als Mitarbeiterin in seine Werkstatt aufnahm und von ihrer Kreativität nicht unwesentlich profitierte. Sie wurde seine Helferin, Ideengeberin, Entwerferin, Modell, Muse und Geliebte. Das wechselvolle Auf und Ab aus Liebe, Leidenschaft, Rivalität endete nach zehn Jahren und einem von Rodin geforderten Schwangerschaftsabbruch mit der Trennung. Camille arbeitete fortan im eigenen Atelier, war auf der Pariser Weltausstellung von 1900 präsent und hatte 1905 ihre erste Einzelausstellung. Wegen der Ausgrenzung durch die Männer-Konkurrenz, verbunden mit wachsenden Schulden, zerstörte sie in Ohnmacht einen Teil ihrer Arbeiten. Nach dem Tod des Vaters ließ die Mutter sie in eine psychiatrische Anstalt wegsperren, wo die geniale Künstlerin als »Geisteskranke Nr. 2307« vo...
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