Unglaubliches erlebt: Jakob Moneta

Juri Hälker über eine »Wahnsinns-Lebensgeschichte« und den Film darüber

Juri Hälkers Dokumentarfilm wird heute zum 92. Geburtstag Jacob Monetas in Frankfurt (Main) erstaufgeführt.

ND: Sie haben für den Film ein längeres Interview mit Jakob Moneta geführt. Was fasziniert Sie an der Persönlichkeit Monetas?
Juri Hälker: Eine Wahnsinns-Lebensgeschichte. Polen 1919: Ein vierjähriger Junge sieht, wie seine Mutter die Treppe runtergeprügelt wird. Der Vater geht dazwischen und wird von Gewehrkolbenschlägen zu Boden gestreckt. Die Familie flieht vor den antisemitischen Pogromen nach Deutschland. Es folgt eine orthodoxe jüdische Kindheit. Und dann der Bruch, die Entwicklung zum revolutionären Marxisten. Wenn Jakob Moneta seine 90 Lebensjahre erzählt, das ist ein Roman, wie ihn sich kein Schriftsteller hätte spannender ausdenken können. Daraus müsste man eigentlich einen Spielfilm machen.

Enthält der Film eine Botschaft, die auch in 20 Jahren die jüngere Generation ansprechen kann?
Monetas Geschichte ist hochaktuell. 1933 emigrierte er nach Palästina, bekam Ärger aufgrund seiner marxistischen Aktivitäten. Die Engländer inhaftierten den Trotzkisten Moneta zwei Jahre lang. In seinem Kibbuz arbeiteten Juden, Christen, Muslime und Atheisten zusammen. Da scheint eine Realität auf, die Hoffnung macht, wenn man heute über Lösungen für den Nahen Osten diskutiert.

Gelebter Internationalismus, der weit über platte Parolen und Lippenbekenntnisse hinausgeht?
Beeindruckt hat mich vor allem der Internationalismus Monetas, den er auch konsequent verfolgt hat, als er in den 50er Jahren bundesdeutscher Botschaftsattaché in Paris war. In seinem Diplomatenwagen schmuggelte er algerische Freiheitskämpfer aus der Stadt, während er sich auf dem Weg zu einem Empfang bei Präsident de Gaulle befand. Oder er schmuggelte kofferweise Geld für die algerische Befreiungsfront in die Schweiz.

Was konnte ein Trotzkist wie Moneta in den 60er und 70er Jahren in einer herausgehobenen Position bei der IG Metall bewirken?
Moneta nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er von seiner Zeit als Chefredakteur der IG Metall-Zeitung METALL berichtet. Auch Kritik an Personen spart er da nicht aus. Es stockt einem der Atem, wenn man erfährt, dass noch in den 60er Jahren die Kameradschaften der ehemaligen SS in der Lage waren, in einigen Großbetrieben die Auslieferung von Gewerkschaftszeitungen zu behindern. Interessant auch Monetas Verhältnis zu Günter Wallraf, den er quasi entdeckt hat, und zu Wolf Biermann, der von Moneta aus der DDR in die BRD geholt wurde. Biermann wohnte bei ihm, benutzte seinen Dienstwagen. Später hat sich Biermann dann von seinem Gastgeber - na sagen wir es mal diplomatisch - distanziert.

Zeitlebens blieb Moneta ein unbequemer Mahner, der trotz herber Rückschläge nie seinen revolutionären Optimismus verloren hat.
Noch leben die Letzten einer Generation, die Unglaubliches erlebt hat und von der eine Menge zu lernen wäre. Wir sollten mit viel mehr Zeitzeugen solche Dokumentationen erstellen, bevor dies nicht mehr möglich ist. Ich bin zutiefst dankbar, dass mit der Dokumentation »Fremde Patrioten« die Geschichte der deutschen Résistancekämpfer vor kurzem verfilmt wurde. Neben Hans Heisel und Kurt Hälker konnte dort der soeben verstorbene Peter Gingold seinen Bericht der Nachwelt hinterlassen. Auch der Film mit Jakob Moneta stellt vor allem ein Stück historische Sicherung dar.

Fragen: Hans-Gerd Öfinger

Jakob Moneta, Jude - Gewerkschafter - Sozialist, Stationen eines Lebens im 20. Jahrhundert, DVD, Preis: 5 Euro, www.vsa-verlag.de
ND: Sie haben für den Film ein längeres Interview mit Jakob Moneta geführt. Was fasziniert Sie an der Persönlichkeit Monetas?
Juri Hälker: Eine Wahnsinns-Lebensgeschichte. Polen 1919: Ein vierjähriger Junge sieht, wie seine Mutter die Treppe runtergeprügelt wird. Der Vater geht dazwischen und wird von Gewehrkolbenschlägen zu Boden gestreckt. Die Familie flieht vor den antisemitischen Pogromen nach Deutschland. Es folgt eine orthodoxe jüdische Kindheit. Und dann der Bruch, die Entwicklung zum revolutionären Marxisten. Wenn Jakob Moneta seine 90 Lebensjahre erzählt, das ist ein Roman, wie ihn sich kein Schriftsteller hätte spannender ausdenken können. Daraus müsste man eigentlich einen Spielfilm machen.

Enthält der Film eine Botschaft, die auch in 20 Jahren die jüngere Generation ansprechen kann?
Monetas Geschichte ist hochaktuell. 1933 emigrierte er nach Palästina, bekam Ärger aufgrund seiner marxistischen Aktivitäten. Die Engländer inhaftierten den Trotzkisten Moneta zwei Jahre lang. In seinem Kibbuz arbeiteten Juden, Christen, Muslime und Atheisten zusammen. Da scheint eine Realität auf, die Hoffnung macht, wenn man heute über Lösungen für den Nahen Osten diskutiert.

Gelebter Internationalismus, der weit über platte Parolen und Lippenbekenntnisse hinausgeht?
Beeindruckt hat mich vor allem der Internationalismus Monetas, den er auch konsequent verfolgt hat, als er in den 50er Jahren bundesdeutscher Botschaftsattaché in Paris war. In seinem Diplomatenwagen schmuggelte er algerische Freiheitskämpfer aus der Stadt, während er sich auf dem Weg zu einem Empfang bei Präsident de Gaulle befand. Oder er schmuggelte kofferweise Geld für die algerische Befreiungsfront in die Schweiz.

Was konnte ein Trotzkist wie Moneta in den 60er und 70er Jahren in einer herausgehobenen Position bei der IG Metall bewirken?
Moneta nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er von seiner Zeit als Chefredakteur der IG Metall-Zeitung METALL berichtet. Auch Kritik an Personen spart er da nicht aus. Es stockt einem der Atem, wenn man erfährt, dass noch in den 60er Jahren die Kameradschaften der ehemaligen SS in der Lage waren, in einigen Großbetrieben die Auslieferung von Gewerkschaftszeitungen zu behindern. Interessant auch Monetas Verhältnis zu Günter Wallraf, den er quasi entdeckt hat, und zu Wolf Biermann, der von Moneta aus der DDR in die BRD geholt wurde. Biermann wohnte bei ihm, benutzte seinen Dienstwagen. Später hat sich Biermann dann von seinem Gastgeber - na sagen wir es mal diplomatisch - distanziert.

Zeitlebens blieb Moneta ein unbequemer Mahner, der trotz herber Rückschläge nie seinen revolutionären Optimismus verloren hat.
Noch leben die Letzten einer Generation, die Unglaubliches erlebt hat und von der eine Menge zu lernen wäre. Wir sollten mit viel mehr Zeitzeugen solche Dokumentationen erstellen, bevor dies nicht mehr möglich ist. Ich bin zutiefst dankbar, dass mit der Dokumentation »Fremde Patrioten« die Geschichte der deutschen Résistancekämpfer vor kurzem verfilmt wurde. Neben Hans Heisel und Kurt Hälker konnte dort der soeben verstorbene Peter Gingold seinen Bericht der Nachwelt hinterlassen. Auch der Film mit Jakob Moneta stellt vor allem ein Stück historische Sicherung dar.

Fragen: Hans-Gerd Öfinger

Jakob Moneta, Jude - Gewerkschafter - Sozialist, Stationen eines Lebens im 20. Jahrhundert, DVD, Preis: 5 Euro, www.vsa-verlag.de

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