Stadtgeschichte auf Porzellan gemalt

Ein Teupitzer Bilderbogen der Künstlerin Helga Winkler spart die dunklen Seiten der Vergangenheit nicht aus

31 Porzellanmotive in Meißner Manier zeigen, dass Theodor Fontane Teupitz besuchte und wie die Faschisten an die Macht kamen.

Es regnet. Auf dem Markt von Teupitz, vor dem Rathaus, rinnt das Wasser langsam die Scheiben herunter, unter denen 31 Porzellanplatten der Künstlerin Helga Winkler seit dem 13. Juli vergangenen Jahres dauerhaft ausgestellt sind. Ein Mann läuft ohne hinzuschauen vorbei und schlüpft schnell hinein ins Bürgerbüro, wo es trocken ist. Dabei lohnt es sich, die farbigen Porzellanplatten zu betrachten. Sie stellen Szenen aus der Stadtgeschichte dar. Selbst der Begleittext ist nicht gedruckt, sondern auf extra Platten gemalt.

Schon damals, zur Einweihung der kleinen Mauer mit den Porzellanplatten, hatte es geregnet, so dass Winkler nicht alles sagen konnte, was sie sagen wollte. Dass sie hoffe, dass ihr Werk »von den Teupitzern und ihren Gästen mit offenen Augen« aufgenommen wird. Sie wünsche sich, dass ihre Arbeit einen kleinen Beitrag leiste, »die Verbundenheit der Einwohner« mit der »kleinen Stadt am See zu bestärken«.

Die Mittelbrandenburgische Sparkasse und die hiesige psychiatrische Klinik hatten Mittel für die Realisierung dieser Freiluftausstellung spendiert. Die Stadt hatte eine Privatspende weitergeleitet und etwas oben draufgelegt. Der Verein für Bildung, Kultur und Tourismus im Schenkenländchen hatte die Idee, die sich innerhalb weniger Monate realisieren ließ, wofür der Vereinsvorsitzende Hilmar Stolpe dem Ingenieurbüro Jürgen Faulhaber dankte. Er dankte auch dem Ortschronisten Lothar Tyb'l, der sich sofort bereit erklärt hatte, den historischen Hintergrund für die Porzellanmotive zuzuliefern. Jetzt bemüht sich Tyb'l, das Kunstwerk bekannter zu machen und so Besucher nach Teupitz zu lotsen.

Bei dem Kunstwerk handelt es sich um Aufglasurmalerei, bei der sich die Farbe während des Brennvorgangs mit der Glasur verbindet - eine Technik in Meißner Manier. Die Bilder sind schwer zu beschreiben. Sie müssen betrachtet werden. Ein Besuch von Teupitz lohnt sich immer. Die nur ein paar Schritte entfernte Kirche etwa steht offen und kann besichtigt werden. Winklers Malerei und Tyb'ls Texte sparen die dunklen Seiten der Vergangenheit nicht aus. So wird illustriert, wie der Markt in Hitler-Platz umbenannt wurde. Auch die Ermordung von Patienten der Nervenklinik während der Naziherrschaft kommt zur Sprache. Winkler malte außerdem einen Gedenkstein, per Inschrift gewidmet den Toten der Weltkriege und den Opfern des Faschismus, geziert von einer Friedenstaube. Die selbe Inschrift findet sich heute am alten Kriegerdenkmal. Dieses Denkmal ist allerdings nicht mit einer Friedenstaube versehen, sondern sehr martialisch mit einem Eisernen Kreuz und mit einem Adler, der aggressiv die Schwingen ausbreitet.

Mehrere Platten zeigen Persönlichkeiten wie den Schriftsteller Theodor Fontane, der bei seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg am 21. Juni 1862 mit der Postkutsche in Teupitz anlangte und im Gasthof »Goldener Löwe« übernachtete, 1874 noch einmal mit der Segeljacht »Sphinx« hier vorbeikam. Eine Platte porträtiert den Ehrenbürger Hans Sußmann (1897-1985). Der antifaschistische Widerstandskämpfer war nach der Befreiung erster Bürgermeister von Teupitz. Auf der letzten Platte steht: »Das Rad der Geschichte dreht sich weiter und die Nachgeborenen fechten's besser aus.«

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