Die Grupo Thälmann
Die ersten deutschen Spanienkämpfer eilten im Juli 1936 zur Aragón-Front
Spanien gehörte zunächst nicht zu den klassischen Exilländern der deutschen Antifaschisten. Das änderte sich mit dem Sieg der Volksfront im Februar 1936. Unkomplizierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erleichterte überdies die Entscheidung, nach Spanien zu gehen. Zudem weilten im Juli 1936, als reaktionäre Generäle gegen die Republik putschen, mehrere Deutsche in Barcelona. Sie wollten an der Volksolympiade teilnehmen, die am 19. Juli als Pendant zu den Olympischen Spielen in Hitlers Berlin eröffnet werden sollte. Dazu kam es nicht mehr. Der Putsch am Vortag löste in verschiedenen Städten Spaniens spontane Abwehrkämpfe aus – getragen von der mächtigen anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT (Confederación Nacional de Trabajo) und der sozialistischen UGT (Unión General de Trabajadores). Zu den Deutschen, die in Barcelona am Sturm auf die von den Putschisten gehaltenen Kasernen teilnahmen, gehörte Max Friedemann, jüdischer Herkunft und Kommunist. Eine Waffe, sagte man ihm, müsse er sich selbst erobern; wie ein Gewehr funktioniert, brachte man ihm innerhalb einer Minute bei.
Als die Kraft der Putschisten in Barcelona gebrochen war, vereinigten sich dort am 23. Juli vier Arbeiterparteien zum PSUC, der Sozialistischen Einheitspartei Kataloniens. Am gleichen Tag schlossen sich 18 Ausländer, acht Deutsche, sieben Polen, zwei Schweizer und ein Engländer, zu einer Kampfgruppe zusammen: der »Grupo Thaelmann«. Sie gehörten zu den ersten internationalen Einheiten und zog mit der von den UGT- und PSUC-Funktionären José del Barrio und Manuel Trueba gegründeten »Columna Trueba-del Barrio« sogleich an die Huesca-Front, wo sie an den verlustreichen Kämpfen nahe dem Städtchen Tardienta teilnahm.
Die spanische Columna, die anfangs etwa 800 Kämpfer zählte, aber nur 600 Gewehre hatte, nannte sich dann in »Carlos Marx« um. Aus ihr sollte später die 27. Division »Carlos Marx« der Spanischen Volksarmee hervorgehen. In der Columna kämpften in den ersten Monaten - wie in anderen Milizen auch - Frauen, die aber dann im Zuge der sogenannten »Militarisierung« der Einheiten auf Befehl des Verteidigungsministeriums von der Front abgezogen wurden. Dies ging einher mit der Einführung hierarchischer Befehlsstrukturen und der Abschaffung der für die Milizen typischen basisdemokratischen Willensbildung. Was gerade für viele Ausländer, die gegen Militär und Militarismus in ihren Herkunftsländern gestritten hatten, ein großes Problem war. So verließen mit Egon Illfeldt und Kurt Hessenthaler zwei deutsche Kameraden die ohnehin kleine Thälmann-Gruppe und stellten sich in Barcelona der CNT zur Verfügung. Letztlich sahen sich aber auch die anarchistischen Milizen gezwungen, sich den militärischen Notwendigkeiten zu beugen.
Während der Kämpfe erhielten die Angehörigen des »Grupo Thaelmann« die Nachricht, dass im August aus Frankreich nach Spanien eingereiste KPD-Funktionäre unter der Leitung von Hans Beimler eine weitere bewaffnete Einheit mit dem Namen »Ernst Thälmann« gegründet hätten. Diese Einheit, die später mehr Aufmerksamkeit erfahren sollte als die Thälmann-Gruppe, nannte sich »Centuria Thälmann«, gehörte der Columna »19. Julio« an und wurde militärisch zunächst von Albert Schreiner, dann von Hermann Geisen und nach dessen Verwundung von Georg Hornung geleitet; politischer Leiter war Hubert von Ranke (alias Moritz Bresser). Die Centuria war mit über 160 Kämpfern, unter ihnen 91 Deutsche, ungleich größer als die Thälmann-Gruppe. Beide trafen beim Sturm auf die Anhöhe bei der hart umkämpften Eremitage de Santa Quiteria nahe Tardienta aufeinander. Wegen militärischer Differenzen kam es jedoch nicht zu einer Vereinigung.
Schon die ersten Kämpfe zeigten die Grenzen des Milizsystems gegenüber einer regulären Armee. Die meisten Milizangehörigen besaßen keinerlei militärische Erfahrungen, es mangelte an Waffen und Kommunikationstechnik. Friedemann gelang es dann, Feldtelefone zu organisieren, später sollte er in der Volksarmee eine Schule für Fernmeldetechnik leiten. Was aber all die Kämpfer einte und auszeichnete, war Entschlossenheit und beispiellose Einsatzbereitschaft.
Die anfänglich lavierende Haltung der Madrider Regierung, ihre Weigerung, Waffen an das Volk zu verteilen, unkoordinierte Einsätze, Abstimmungs- und Kompetenzprobleme sowie das Fehlen eines einheitlichen Kommandos und unterschiedliche Auffassungen in den verschiedenen Milizen, die aus voneinander abweichenden politischen Positionen resultierten, verhinderten zum Beispiel, dass die strategisch wichtige Eisenbahnlinie Zaragoza-Huesca unterbrochen wurde. Die Kämpfer mussten aus der Ferne ohnmächtig zusehen, wie die Franquisten Zug um Zug ihre Soldaten an die Front beförderten.
Zaragoza, eigentlich eine Hochburg der CNT, war durch den Verrat des Ziviligouverneurs in die Hände der Putschisten gefallen. Friedemann erinnerte sich, dass mitunter niemand mehr wusste, wer da auf wen schoss. Die Verluste unter den Internationalen waren hoch, die »Centuria Thälmann« verlor fast die Hälfte ihrer Kämpfer durch Tod oder Verwundung. Als sie zur Reorganisation nach Barcelona zurückgeführt wurde, waren sie so wenige, dass Hans Beimler jeden umarmen und mit dem Ausruf begrüßen konnte: »Ihr seid Helden!«
Nachdem am 22. Oktober 1936 Kominternfunktionäre dem sozialistischen Ministerpräsidenten Largo Caballero die Zustimmung abgerungen hatten, internationale Freiwilligenverbänden zu gründen, organisierten sich in Albacete in der La Mancha die Internationalen Brigaden. Viele der Überlebenden der beiden Einheiten, die den Namen »Thälmann« trugen, gehörten den ersten beiden Bataillonen der XI. Internationalen Brigade an, die ihre Feuertaufe in der Schlacht um Madrid erhielt.
Auch zwischen den Deutschen, die in Spanien nunmehr die Chance sahen, dem Faschismus mit der Waffe in der Hand entgegenzutreten, herrschten oft schroffe ideologische Gegensätze. Obwohl sie sich im Antifaschismus und der Notwendigkeit der Verteidigung der Demokratie einig waren, konnten die letztlich schädlichen Differenzen nicht überwunden werden. Das schmälert nicht den Einsatz der 4000 deutschen Männer und Frauen bei der Verteidigung der Spanischen Republik 1936 bis 1939. Sie verkörperten das bessere Deutschland gegenüber jenen, die mit der »Legion Condor« die Franco-Putschisten unterstützt hatten und zwei Jahre später Europa mit Krieg und Verderben überzogen.
An die ersten deutschen Freiwilligen erinnern die »Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939 e. V.« und die Rosa-Luxemburg-Stiftung am Samstag, den 27. Februar (15 Uhr, Seminarraum 1), im Haus am Franz-Mehring-Pl. 1, 10243 Berlin; Referent ist unser Autor.
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