Über die Spree und zurück »ohne abzusaufen«
Ernst von Pfuel begründete den Militär-Schwimmsport und rief 1817 die erste Flussbadeanstalt Berlins ins Leben
Ernst Heinrich Adolf von Pfuel (1779-1866), Sprössling einer alten märkischen Familie, war die militärische Laufbahn vorgezeichnet, da er nicht Erstgeborener war und also nicht das väterliche Gut erbte. Von seinem Zuhause in der Gutsherrschaft Jahnsfelde (heute ein Ortsteil von Müncheberg) kam er nach Berlin auf die Realschule und 13-jährig an die Berliner Kadettenanstalt.
Das »Königliche Preußische Kadetten-Korps« war vom »Soldatenkönig« Friedrich Wilhelm I. als Zuchtanstalt für seinen Offiziersnachwuchs aus den Vorgängeranstalten in Magdeburg und Kolberg 1717 in Berlin neu gegründet worden. Hier erhielten Adelssöhne höhere Schulbildung, militärischen Drill und Erziehung zu »vorzüglicher Conduite« - zu standesgemäßem Betragen. Als »Kronprinzen-Korps« gehörten die Kadetten zum stehenden Heer.
Ernst Heinrich Adolf von Pfuel wurde 1797 Fähnrich im Potsdamer Infanterieregiment Nr. 18. Sporen verdiente er sich unter anderem in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt (1806), auch wenn diese für Preußen verloren ging. Später stand er als Hauptmann in österreichischen und russischen Diensten, ab 1815 befand er sich wieder im preußischen Heer und im Generalstab. Karriere machte er fortan im Militär, in der Diplomatie und in der Politik. Außerdem betätigte er sich wissenschaftlich und literarisch.
Am 1. März 1848 wurde Pfuel nach Berlin beordert, wo er, zum Gouverneur ernannt, der Märzrevolution militärisch zuvorkommen sollte. Doch als am 15. März königliche Truppen ihre Gewehre auf Berliner Aufständische schon angelegt hatten, besann er sich offenbar seiner eher liberalen Gesinnung, stellte sich dazwischen und verhinderte so das unweigerliche Blutbad. Das kostete den General der Infanterie seinen Gouverneursposten. Wenig später jedoch, vom 21. September bis 1. November 1848, war er Preußens Ministerpräsident und Kriegsminister - welch eigentümliche Wendung.
Der Ministerpräsident für sechs Wochen ist längst vergessen. In die Geschichte eingegangen ist Pfuel als Reformer des Militärsports! Der Offizier kannte den Wert regelmäßiger Körperertüchtigung - im Laufen, Fechten, Schwimmen, Klettern. Er kannte auch die Schwächen der überwiegend zum Militär gepressten preußischen Soldaten. Vielen von ihnen, auch Offizieren, mangelte es an Disziplin und Kampfmoral wie an körperlicher Tüchtigkeit und Gewandtheit. Am Schwimmen lag Pfuel so viel wie Friedrich Ludwig Jahn zur gleichen Zeit am Turnen. In Prag gründete Pfuel 1810 die erste Militär-Schwimmschule der Welt.
Die erste Flussbadeanstalt Berlins gründete er 1817 in der Spree am Oberbaum in der Köpenicker Straße 12 - für den Militär-Schwimmunterricht und auch für ziviles Baden. Die »Pfuelsche Badeanstalt« war anfangs ein großer Holzkasten im Fluss mit auf Pfählen gegründeten Bretterwänden, welche gemäß herrschender Moral das »Badetreiben« vor Blicken der Öffentlichkeit schützten.
Pfuel praktizierte den Schwimmunterricht methodisch durchdacht. Er gilt als der Erfinder des Brustschwimmens, dem Frosch abgeschaut: Der Frosch sei ein vortrefflicher Schwimmer und »Lehrmeister, ... denn die Beschaffenheit seines Körpers ähnelt in den Teilen, welche hauptsächlich zum Schwimmen nothwendig sind, sehr der des Menschen.« Schwimmanfänger machten zuerst Trockenübungen bäuchlings auf einem Hocker, danach, in einem Gurt an einer »Angel« im Wasser hängend, Schwimmbewegungen auf Kommando.
Viele Rekruten hatten Angst vor dem Sprung ins Wasser, sie »verlegten sich auf's Kapituliren, um ein langsames Hineinlassen zu gewinnen und den Kopf vor dem Untertauchen zu retten, andere sahen trübsinnig hinunter wie in's Grab, und wurden blaß und bläßer, so wie der Meister seine Aufmunterung steigerte; noch andern klopfte das Herz, daß der Gurt sich bewegte, und einer schlug sogar ein großes Kreuz über sich, um doch christlich zu enden.«
Welcher Junge oder junge Mann (Frauen blieben damals noch ausgeschlossen) bei einem der Schwimmfeste an der Oberbaumbrücke quer über die Spree hin und zurück schwamm »ohne abzusaufen«, erhielt ein »Diplom der Schwimmkunst«.
Nahezu 70 000 Militärangehörige und Zivilisten, darunter viel Schuljugend, sollen in der Pfuelschen Badeanstalt im Laufe eines halben Jahrhunderts schwimmen gelernt haben. Die Pfuelstraße an jenem Ufer in Kreuzberg erinnert daran. Dort, wo man ...
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