Sozialneid geschürt

TV vorab: »Krieg der Generationen?«

  • Gitta Düperthal
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Titel des Themenabends, der heute auf arte läuft, sagt alles: »Krieg der Generationen?«. Die absurde Fragestellung suggeriert, »die Alten« seien am Elend »der Jungen« schuld. In Matthieu Sarfatis und Joachim Horns Film »Wunderland ist abgebrannt« mit dem Untertitel »Die getäuschte Generation« dürfen dementsprechend junge Deutsche und Französinnen mal so richtig nach Herzenslust über »die Alten« schimpfen. In weithin gesicherten Jobs stünden diese, und wollten einfach nicht abtreten, heißt es. Kein Wort darüber, dass die Annahme, es handele sich einzig um junge Menschen, die in prekäre Arbeitsverhältnisse abgeschoben wurden, ein Mythos ist. Keine Rede davon, dass gleichzeitig 40-Jährige bereits mit der Begründung »zu alt« aus dem Arbeitmarkt heraus gedrängt wurden. Auch die Altersarmut vieler Rentner ist im Film kein Thema. Sonst könnte es ja freilich nicht derart simple Antworten geben: »Und jetzt geht in Rente und kümmert euch um eure Gärten«. Das sagt die 23-jährige Hochschulabsolventin Celine.
Manch einer der ansonsten sehr differenziert argumentierenden Studenten ist den Filmemachern auf den Leim gegangen. Diese haben unverkennbar das Ansinnen, einen schwelenden Generationskonflikt für die zunehmende Verarmung der nichtbesitzenden Klasse verantwortlich zu erklären. Solch festgefahrene Thesen zu vertreten, ist allerdings nicht nur journalistisch unsauber, sondern kann obendrein beängstigende Folgen haben: Wird hier der Boden für Altendiskriminierung bereitet? Wird die Klaviatur eines breit angelegten Ablenkungsmanövers gespielt, um die tatsächlichen Ursachen eines sich ausdehnenden Heuschrecken-Kapitalismus nicht zu benennen?
Sozialneid wird auch im zweiten Film, »Albtraum Rente - Das Ende des Generationenvertrages« von Axel Kriszun geschürt. Ein 68-Jähriger wird beim Zehnkilometer-Sprint auf dem Laufband im Fitnessstudio gefilmt. Ein besorgter Kommentator ist zu hören: Ja, so könne der Mann ja wohl 100 Jahre alt werden. Klartext: Falls er nicht beim Joggen überfahren wird, wird er die Rentenkasse belasten. Wir sehen dann einen 50-jährigen gelernten Fernmeldemonteur, zeitweise arbeitslos, dann Hartz IV-Empfänger, der bei der Rentenversicherung erfährt, er werde nur rund 600 Euro Rente erhalten. Im Off-Kommentar des Films heißt es suggestiv: »Ist unser Rentensystem gerecht?« Solche Fragen zielen darauf, dass wir dem Sportsmann seine lange Lebenserwartung neiden. Viele potenzielle Schuldige hat der Filmemacher für die Misere ausfindig gemacht. Natürlich fehlt im Film auch ein kinderloses Paar nicht, beide circa 50 Jahre alt. Die Frau hat ihren orientalischen Tanzkurs und ihre Arbeit nicht aufgeben wollen. Ihr Gatte mag in seiner Freizeit lieber Sportcoupé fahren, als Windeln wechseln. Beim Zuschauer soll der Eindruck erweckt werden: Warum wollen diese Egomanen bloß keine Kinder zeugen, die unsere Rentenkassen füllen?
So wird in beiden Filmen eine Generation gegen die andere ausgespielt. Damit nur ja keine kritischen Fragen aufkommen, ob der Fehler nicht etwa im System liegt. Nur kurz wird angedeutet, dass die Zeiten der Vollbeschäftigung vorbei sind. Die Firmenflucht in Billiglohnländer wird erwähnt. Und dass viele Unternehmen grandiose Profite einstreichen, und dennoch Personal entlassen. Doch statt hierfür verantwortliche Manager und Politiker zu befragen, geht es weiter im Programm: Pillenknick, die Emanzipation der Frau und der Protest gegen den Paragraph 218. Es fehle der Nachwuchs, der - so die abstruse Logik des Themenabends - sonst die Rentenkassen hätte füllen können. Wir Zuschauer können über derartige Unlogik nur staunen. Wie bitteschön hätte ein Babyboom die Rentenkasse klingeln lassen sollen? Da doch Celine, Ric, Antoine, Katja und andere Studenten aus Paris oder Berlin nur in unbezahlten Praktika unterkommen, wie wir gerade erfahren mussten.

Themenabend »Krieg der Generationen«, arte, heute ab 20.40 Uhr.
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