Viel Schrott für eine echte Lok

Klaus Hollenbach besitzt als einziger Berliner eine richtige Dampflok auf seinem Bohnsdorfer Grundstück

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Manchmal kommen ein paar neugierige Gören gucken. Sie haben gehört, in der Elsterstraße 24 steht eine echte Dampflok im Garten: ein zehn Meter langes, 45 Tonnen schweres Gefährt. Doch zu sehen ist zunächst nichts. Zu dicht sind die Bäume gewachsen. Wer aber bei Familie Hollenbach klingelt, hat meistens Glück und ihm wird die alte Lok gezeigt. Seit 25 Jahren steht die »schwarze Lady« nun schon auf dem Privatgrundstück in Bohnsdorf. Klaus Hollenbach, pensionierter Lokführer, hat sie vor dem Verschrotten gerettet. Denn der »80 009« sollte das gleiche Schicksal blühen wie vielen anderen dampfenden Riesen. In den 70er Jahren hatte die DDR-Regierung die Umstellung von Dampf- auf Dieselloks beschlossen. »Ich fand es schade, dass diese alten Maschinen von der Bildfläche verschwinden sollen«, sagt Hollenbach. Er beschloss, ihr ein Denkmal zu setzen. Glücklicherweise wusste er damals noch nicht, wie viel Ärger und Lauferei ihm sein Unterfangen einbringen würde. Sieben Jahre dauerte es, bis die schwarz-rote Lok aus Engelsdorf bei Leipzig endlich in seinem Garten ankam. Und nur weil der damalige DDR-Verkehrsminister gerade in Urlaub war und sein Stellvertreter die Entscheidung traf, erhielt er von ganz oben die Genehmigung. Bezahlt hat er seine Lok mit Schrott. 45 Tonnen musste er sammeln. Noch immer ist Klaus Hollenbach stolz auf seinen Coup. Er ist immerhin der einzige Berliner, der eine echte Dampflok sein Eigen nennt. Weltweit gebe es von dieser Baureihe nur noch sechs Stück. Produziert wurden einmal 39. Sein 79 Jahre altes Gefährt hat ein bewegtes Leben hinter sich: Es diente zum Rangieren und legte insgesamt rund 1,8 Millionen Kilometer zurück. Inzwischen steht die Dampflok zumeist im Schuppen in der hinteren Gartenecke. Hollenbach baute ihn in den vergangenen Jahren nach alten Skizzen und mit gelben Ziegeln. Zu Feierlichkeiten oder Führungen zieht er sie mit Hilfe eines Motors heraus. Das dauert etwa zehn Minuten. Und dann thront das Gefährt auf den 25 Meter langen Schienen im Freien. Direkt neben Blumenbeeten und einem Tulpenbaum. Rundherum sieht es schon ein bisschen aus wie in einem echten Bahnbetriebswerk. Es gibt eine Entschlackestelle mit einem Gestell, an dem eine Schaufel, ein Spieß und eine Kralle hängen, außerdem eine alte Weichenlaterne, einen Wasserkran, der ursprünglich mal am Ostbahnhof gebraucht wurde, sowie ein uraltes Läutewerk, einen 14 Meter hohen Lichtmast und ein Signal. Damit alles richtig bedient werden kann, muss Klaus Hollenbach noch ein paar Kabel verlegen. Doch der 61-Jährige geht das langsam an. In den vergangenen Jahren hat er zunächst die rote Farbe an der Lok an einigen Stellen nachgebessert, die schwarzen Puffer gewechselt und die Leiter verlängert. Als nächstes will er eine historische Luftpumpe einbauen, eine Rauchkammertür und eine Dampfheizungsleitung. Was halten eigentlich die Nachbarn von Hollenbachs auffälligem Hobby? Einige schütteln den Kopf, doch die meisten tolerieren es. Auch seine Frau. »Ohne ihr Verständnis wäre das alles nicht möglich gewesen«, gesteht er. Manchmal blättert er mit seiner Familie in den Fotoalben. Jede Lok-Station wurde festgehalten: die Fahrt von Engelsdorf nach Berlin, das Abladen mit dem riesigen Kran im Garten, die Filmaufnahmen für eine Sandmännchensendung Klaus Hollenbach möchte auch, dass sich seine Gäste verewigen - im alten Reparaturbuch. Er funktionierte es zum Gästebuch um.

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