Dunkelmänner ins Licht gezerrt

ND im Club: »Alles unter Kontrolle? Geheimdienste & Co.«

  • Karlen Vesper
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Was wird die von BND-Präsident Ernst Uhrlau für seine Behörde angekündigte Reform bringen? Was der parlamentarische Geheimdienst-Untersuchungsausschuss? Darf die Bundesregierung Informationen nutzen, die unter Folter erpresst wurden? Diese und weitere Fragen stellte ND-Redakteur René Heilig am Mittwochabend seinen Gästen: dem Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom, dem Deutschlandkorrespondenten der »Neuen Zürcher Zeitung« Eric Gujer und dem Ex-MfS-Mitarbeiter Klaus Eichner.

Seit Fouché nichts Neues. Wie schon zu Zeiten des Begründers der modernen Spionage scheuen die Dienste öffentliche Aufmerksamkeit und Rechenschaft. Die Dunkelmänner des BND sind jedoch durch zu viele Affären ins ungeliebte Schlaglicht geraten. Man geht mit einer Reform in die Offensive, die eigentlich »eine Gegenreform ist«, wie Schmidt-Eenboom sagte. Statt kleinere würden größere Strukturen geschaffen, der BND wird weniger handlungsfähig und schlechter kontrollierbar. Auch Gujer erwartet von der Reform »eines Bürokraten, der unter Druck steht« (Uhrlau), nicht viel; statt Umstrukturierung sei inhaltliche Neuprofilierung nötig. Ein »Rezeptebuch«, wie der deutsche Geheimdienst wieder zu seinen eigentlichen Aufgaben finden könnte, hat er jüngst auf den Markt gebracht: »Kampf an allen Fronten« (Campus, 24,90 ¤). Der Schweizer scheint vom deutschen Dienst angetan. Er war der einzige in der Runde, der den BND in Schutz nahm. Verkehrte Welt? Ja. Denn, obgleich den BND nicht liebend, gab ein Ehemaliger von der HVA ebenfalls Ratschläge, was zu tun sei, damit dieser zu einem »modernen Nachrichtendienst« werde, der die Anforderungen der Gegenwart meistert, »das alte Denken aus dem Kalten Krieg abstreift und qualifizierte Führungsoffiziere heranbildet«. Eichner weiß, wovon er spricht. Allerdings, seine sympathische Vision, »Bedingungen im nationalen und internationalen Maßstab zu schaffen, die diese Organe zunehmend unmöglich und unnötig machen«, fand Gujer indiskutabel. Schmidt-Eenboom hingegen nannte zwei zwei Länder, die ihrem Dienst schon den Dienst quittiert haben: Ungarn und die Niederlande. Worauf Gujer erwiderte, wenn auch die Deutschen ihren nicht mehr wollten, müssten sie sich aus der Weltpolitik heraushalten. Und da gab es vom NZZ-Journalisten gar ein Lob für die PDS, deren Sympathisant er aber keinesfalls sei: »Sie zeigt immerhin Konsequenz, wenn sie gegen Auslandseinsätze und gegen Geheimdienste ist.« Dass eine solche Haltung nicht nur konsequent, sondern auch weise wäre, offenbarte die weitere Diskussion. Da kam nämlich, vor allem durch Schmidt-Eenboom (Autor des dieser Tage bei Herbig erschienenen Buches »BND. Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten«, 22,90 ¤), etliches zur Sprache, was nicht unter harmlosen »Pannen, Pech und Pleiten« zu verbuchen ist. Etwa, wenn ein BND-Vizepräsident schon 1997 vorauseilend und voreilig behauptete, Iran werde innerhalb von drei Jahren über Atomwaffen verfügen. Oder man dem israelischen Mossad zur Legendierung seiner Agenten echte Identitäten von in Deutschland lebenden Bürgern liefere. Und den Amerikanern einen Überläufer, der zum Kronzeugen für ein die Welt in die Irre und Irak in einen Krieg führendes Lügen-Konstrukt avancierte. Fortan geriet die Politik in die Kritik der Diskutanten. »Als Colin Powell diese Lüge vor der UNO vortrug, hätte Außenminister Fischer die Möglichkeit gehabt, vor die Weltöffentlichkeit zu treten und auf die fragwürdigen Quellen hinzuweisen, statt nur hinter verschlossenen Türen«, klagte Schmidt-Eenboom. Gujer stellte sich schützend auch vor die damalige Bundesregierung: »Sie hatte Interesse daran, den Gesprächsfaden zu den USA nicht abreißen zu lassen.« Und die zwei BND-Agenten in Bagdad seien völlig irrelevant gewesen. Sie konnten ja nicht einmal arabisch. Schmidt-Eenboom konterte: »Die beiden in Bagdad haben mit ihren französischen Gastgebern sicherlich nicht nur Rotwein getrunken.« Und: »Wenn ich höre, dass bestimmte Informationen nicht an die Öffentlichkeit dürfen, weil sie das Verhältnis zu den USA beschädigen könnten, kann ich nur in Hohngelächter ausbrechen.« Gujer räumte immerhin ein, dass der BND vor dem Krieg relevante Informationen über Iraks Infrastruktur gesammelt hat, deutsche Firmen befragte, wo sie Kraftwerke, Elektrizitätsanlagen etc. aufgebaut hätten, »die sich zu bombardieren lohnen«. Moderator Heilig packte nun die Gelegenheit beim Schopfe, um die Diskussion auf blutige Vernehmungsprotokolle, Folterpraktiken, illegale Entführungen und geheime Gefängnisse zu lenken. Wieder gerieten Gujer und Schmidt-Eenboom aneinander - diesmal über die Verbindlichkeit des Völkerrechts, von Schmidt-Eenboom tapfer verteidigt. »Alle Völkerrechtsverletzer gehören hinter Schloss und Riegel«, forderte der Friedensforscher aus Bayern. Und dass er da nicht nur an die Verantwortlichen für das Leiden und Sterben in Irak, son...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.