Schwarzer Kreis, rotes W

Weimars Stadtführung führt eine aufwendige Kampagne gegen die Thüringer Gebietsreform

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.
Lange galten vor allem Südthüringer Politiker als erbittertste Gegner einer Gebietsreform im Land: »Wir gehen nach Franken!« Nun aber hat Weimar eine massive Kampagne für seine Kreisfreiheit gestartet.

Wer in diesen Tagen Weimars Oberbürgermeister Stefan Wolf besucht, der muss an einem kleinen Tisch im Flur vor seinem Büro vorbei. Darauf liegen Flyer, wie auf vielen Tischen in vielen öffentlichen Gebäuden. Flyer für diese Sache, ein Informationsschreiben für eine andere. Auf dem Tisch vor dem Büro des SPD-Politikers liegt zusätzlich noch eine sehr seltsame Postkarte. Auf deren Vorderseite stehen drei Worte: »Weimar. Freiheit. Lieben.« Dazu ein Logo: ein schwarzer Kreis, der von einem roten W ausgefüllt wird. Das Logo ist mit einem Pfeil kombiniert, der nach oben zeigt. Aber so ungewöhnlich die Karte selbst auch ist: Sie ist noch der unauffälligste Teil der politischen Kampagne, die sich dahinter verbirgt.

Längst nicht nur im Süden Thüringens nämlich machen die Gegner einer Gebietsreform im Land gegen das Vorhaben der rot-rot-grünen Landesregierung in Erfurt mobil. Bislang zwar waren die südlich des Rennsteigs beheimateten Kommunalpolitiker besonders laut, wenn es darum ging, für den Erhalt kleingliedriger Verwaltungsstrukturen zu kämpfen. Vor allem Sonnebergs Landrätin Christine Zitzmann (parteilos) hat dabei es zu deutschlandweiten Ruhm gebracht. Über ihre Gedankenspiele, mit ihrem Landkreis nach Bayern zu wechseln, sollte der Thüringer Landtag Sonneberg mit anderen Gebietsstrukturen verschmelzen, hat so ziemlich jede Zeitung zwischen Flensburg und Oberstdorf berichtet.

Mit ihrer aktuellen Kampagne machen die Weimarer nun allerdings ebenfalls sehr laut und zugespitzt Stimmung gegen den drohenden Verlust der Kreisfreiheit der Stadt. Nach den aktuellen Plänen des Landes ist Weimar mit nicht einmal 65 000 Einwohnern nämlich deutlich zu klein, um auch künftig eine kreisfreie Stadt zu bleiben. Neben der Postkarte gibt es für die Kampagne auch vierseitige Flyer, die mit dem Logo und den drei Schlagwörtern - Weimar, Freiheit, Lieben - verziert sind. Außerdem einen ziemlich gut gemachten Internetauftritt. Dort posieren nicht nur kommunalpolitisch aktive Menschen wie Thüringens ehemaliger Innenminister Jörg Geibert (CDU) oder Weimars ehemaliger Oberbürgermeister Volkhardt Germer (parteilos) mit einem Schild, auf dem die drei Schlagworte und das W-Logo zu sehen sind. Unter anderem die Zwiebelmarkt-Königin Lisa I. ist dort abgebildet; auch mit Schild. Ebenso wie - ebenfalls mit Schild - eine Weimarer Fußballmannschaft und Besucher eines Jugendklubs der Stadt.

Bestellen lassen sich über die Webseite der Kampagne auch T-Shirts mit Logo und Schlagworten auf der Vorder- und Rückseite. Die Marketing-Maschinerie der Kampagne hat inzwischen auch Aufkleber und Anstecker hervorgebracht. Letztere tragen manche Mitarbeiter der Stadtverwaltung stolz während der Arbeit. Verantwortlich für all das zeichnet ohnehin die Stadtverwaltung Weimar und damit in letzter Instanz OB Stefan Wolf selbst. In den rechtlichen Hinweisen zu den Urhebern der analogen und digitalen Publikationen versucht die Stadt auch überhaupt nicht, diese Verantwortlichkeit zu verschleiern. Von den Stadträten Weimars hat die Stadtverwaltung ohnehin keinen Widerstand gegen diese Kampagne zu erwarten, mit der sich die Weimarer so offensiv gegen das Land stellen. Erst Anfang März hatten alle im Weimarer Stadtrat vertretenen Fraktion einmütig einen Beschluss verabschiedet, in dem sie sich für die Kreisfreiheit der Stadt aussprechen.

Was das Ganze so zugespitzt macht, sind mehr noch als die - im Detail gut gemachten - Mittel der Kampagne, vor allem die Argumente, die in der Debatte von Seiten der Weimarer immer wieder bemüht werden, um für den Erhalt der Kreisfreiheit der Stadt zu werben. Sie sind auch ein Spiegel der Ängste, die im gesamten Freistaat - von Sonneberg bis Nordhausen und vom Wartburgkreis bis ins Altenburger Land - immer wieder auftauchen, wenn es um das Reformvorhaben geht. So heißt es beispielsweise in den Kampagnentexten, Weimar werde als Teil eines Landkreises weniger Geld zur Verfügung haben als jetzt. Auch Entscheidungen zur Abfallentsorgung oder zur Sozialhilfe würden dann nicht mehr in der Stadt, sondern in einem »ländlich dominierten Kreistag« fallen.

Mögen solche Punkte - wohlwollend betrachtet - noch als diskutierbare Sachargumente durchgehen, bleibt es ein Geheimnis der Kampagnenmacher, was die Kreisfreiheit der Stadt damit zu tun hat, dass »Weimar jährlich über vier Millionen Gäste aus der ganzen Welt anzieht«, dass »Weimar eine weltbekannte Marke ist« und dass »Weimar die Freiheit liebt«.

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