Moskaus Strategie - effektiv und günstig

Präsident hat eine Neufassung des außenpolitischen Konzepts in Auftrag gegeben

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Angesichts des Vorrückens der NATO, von Krisen und Erfolgen sucht Moskau eine neue außenpolitische Strategie.

Die Moskauer Liste der neuen Herausforderungen ist lang. Regionale terroristische Bedrohungen und Konflikte, darunter eingefrorene, die erneut eskalieren, zählen dazu. Mittel- und langfristig sieht sich Russland mit der Stationierung von globalen Raketenabwehrstellungen der USA nicht nur in Europa, sondern auch in Asien konfrontiert, mit der Verstärkung der militärischen Präsenz der NATO und dem Ausbau der militärischen Infrastruktur an Russlands Grenzen. Auch Hybridkriege, die nicht mit der Mauser, sondern mit Maus und Joystick geführt und statt auf dem Schlachtfeld in den Medien ausgetragen werden, beschäftigen die Strategen.

Moskaus Antwort, so kündigen es Außenpolitik- und Sicherheitsexperten an, werde asymmetrisch ausfallen: Effektiv aber kostengünstig. Details soll die Neufassung der außenpolitischen Konzeption regeln, die Kremlchef Wladimir Putin bei Außenminister Sergej Lawrow in Auftrag gab. Zwar gilt die derzeitige erst seit Februar 2013. Der Krieg in Syrien, die Ukraine-Krise, einschließlich Sanktionen und Gegensanktionen, oder der Clinch mit der Türkei machten sie jedoch weitgehend zu Makulatur.

Ziel, so Lawrow auf der jüngsten Tagung des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik, der mit der praktischen Umsetzung des Vorhabens betraut wurde, sei ein gerechtes internationales System, das auf »gewaltsame Ablösung missliebiger Regime« und auf den Export eigener »Entwicklungsmodelle und Werteordnungen« verzichtet. Moskau sei zu umfassender Kooperation bereit, aber nur auf Basis der Gleichheit und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der jeweils anderen Seite.

Das Zeitalter von Verträgen, mit denen die USA und Europa versuchen, sich einseitige Vorteile zu verschaffen und Russland sogar für eine eigenständige Außenpolitik abzustrafen, sei so Lawrow, »für immer abgeschlossen«. Business as usual, das hatte der Diplomat schon im Januar in seiner Rede vor der in Moskau akkreditierten Auslandspresse deutlich gemacht, würde es nie wieder geben. Russland strebe eine »polyzentristische Architektur der Außenpolitik« an, bei der »führende Machtzentren im Idealfall« Probleme gemeinsam lösen.

Im Idealfall. Unbestimmtheit und Instabilität, fürchtet sogar Lawrow, würden längerfristig Konstanten der internationalen Politik bleiben. Die Interessenlage der Akteure werde sich weiter aufsplittern, was neue Gegensätze schaffe. Genau das, so kritische Beobachter, sei aus westlicher Sicht das Ergebnis einer multipolaren Weltordnung. Für Moskau dagegen sei diese ein Konglomerat von Einflusszonen als konstante, unveränderliche Gebilde und damit ein Garant für Stabilität.

Ein kulturelles Missverständnis, das schon den Kalten Krieg kennzeichnete. Die Sowjetunion hielt die von der Anti-Hitler-Koalition 1945 in Jalta beschlossene Neuordnung Europas für unantastbar, Russland beansprucht das Einflussmonopol im postsowjetischen Raum. Nach außenpolitischen und militärischen Erfolgen in Syrien, wo Putin den Westen lange vor sich hertrieb, gilt das derzeit mehr denn je.

Der Wunsch nach neuen Spielregeln à la Jalta diktiere auch die Neufassung des außenpolitischen Konzepts, schreibt die liberale Wirtschaftszeitung »Wedomosti«. Es soll noch vor NATO-Gipfel im Juli in Kraft treten. Moskau wolle seine Claims abstecken, bevor das westliche Militärbündnis in Warschau Möglichkeiten für die weitere Expansion Richtung Osten sondiert, glauben Experten. Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine oder Georgien seien zwar wenig wahrscheinlich, angesichts der neuen Instabilität in Afghanistan werde die NATO jedoch ihre Kontakte zu den zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken intensivieren.

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