Bitte ignorieren!

Netzwoche

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt drei Arten, wie man auf rufschädigende Nachrichten im Internet reagieren kann. Man kann Negativ-Meldungen ignorieren, eine Weile aus dem Netz verschwinden oder Spezialisten beauftragen, die unliebsamen Spuren, die man dort hinterlassen hat, zu tilgen. Ignorieren hilft aber in der Regel nicht weiter, weil das Netz ein Gedächtnis wie ein Elefant hat. Für die zweite Variante hat sich zu Beginn dieser Woche Jan Böhmermann entschieden. Er werde bis zum 12. Mai »eine kleine Fernsehpause« einlegen, kündigte der TV-Satiriker, der wegen eines sogenannten Schmähgedichts gegen den türkischen Staatspräsidenten Erdogan in der Kritik steht, auf Facebook an.

Ob die Sache damit für Böhmermann ausgestanden ist, darf bezweifelt werden. Das ZDF stellt sich zwar hinter seinen Mitarbeiter, aber nach der Entscheidung von Merkel, dem Ersuchen der türkischen Regierung nach Einleitung eines Strafverfahrens gegen Böhmermann wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes stattzugeben, läuft die Debatte auch ohne persönliche Beteiligung des 35-Jährigen weiter.

Es wäre für Böhmermann jedoch auch nicht ratsam, den dritten Weg - den der Löschung der Spuren im Netz - einzuschlagen. Diese Erfahrung musste die University of California in Davis machen. An der Uni waren im November 2011 Studierende bei friedlichen Protesten von zwei Beamten der Campus-Polizei bei einem Sitzstreik aus nächster Nähe mit Pfefferspray attackiert worden. Dokumentiert wurde der brutale Angriff durch ein Video auf Youtube. Die beiden Polizisten und ihr Vorgesetzter wurden vom Dienst suspendiert und die Leiterin der Universität, Linda Katehi, musste sich öffentlich für den Vorfall entschuldigen.

Diese Form der Berühmtheit behagte der Universität allerdings nicht, wie Jonas Klaus mit Berufung auf Zeitungsberichte in den USA auf netzpolitik.org berichtet. Die Uni-Leitung soll deshalb zwei Marketingunternehmen mit einer Suchmaschinenoptimierung beauftragt haben, um die negative Berichterstattung und Verlinkungen in den Google-Ergebnissen so weit wie möglich zu reduzieren. Diese Manipulation bedient sich dabei des Prinzips, dass Google jene Treffer auf den ersten Plätzen listet, die besonders häufig in Zusammenhang mit dem gesuchten Begriff von den Nutzern aufgerufen werden.

Die von der Universität engagierten Experten, so Klaus, versuchten also bestimmte Webseiten, die sich nicht mit der Pfefferspray-Vorfall beschäftigen, durch gezielte Einträge und Parameter in der Trefferliste besser zu positionieren. Ein halbes Jahr lang, so Klaus weiter, habe eine Firma versucht, den Auftrag der Uni umzusetzen. Offenbar sei sie nicht besonders erfolgreich gewesen, denn 2014 sei ein zweites Unternehmen hinzugezogen worden. 175 000 Dollar ließ sich die Uni das insgesamt kosten.

Indes: Die Bemühungen seien offensichtlich nur von mäßigem Erfolg gekrönt gewesen. »Gibt man ›uc davis‹ bei Google ein, erscheint schon als erster Ergänzungsvorschlag ›pepperspray‹.« Schlimmer noch: Durch das Aufdecken der Aktion habe die Uni-Leitung jetzt einen doppelten Image-Schaden. Ihr hilft jetzt nicht mal mehr Ignoranz.

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