Der Ames-Stamm der Biokrieger

Anthrax-Erreger aus USA-Labor gefährdet Tausende

Während Tausenden Kongress- und Postmitarbeitern in den USA in den Vorweihnachtstagen eine noch in der Testphase befindliche Schutzimpfung gegen Milzbrand angeboten wird, musste nun auch das Weiße Haus zugeben, dass die in Briefen verschickten Erreger kein Terrorgruß von Osama bin Laden sind, sondern aus eigenen Biowaffen-Labors stammen.

Ari Fleischer wand sich sichtlich. Noch gebe es keine endgültigen Erkenntnisse, aber die Hinweise deuteten doch zunehmend darauf hin, dass es eine heimische Quelle gebe, so der Sprecher von USA-Präsident Bush. Damit wird nun auch offiziell bestätigt, was der deutsche B-Waffen-Experte Jan van Aken von Sunshine Projekt gegenüber ND schon nach den ersten Informationen über die Struktur der verschickten Anthrax-Sporen vermutete und Barbara Rosenberg vor drei Wochen auf der Genfer Biowaffen-Konferenz enthüllte: Die Milzbrand-Erreger wurden in einem USA-Labor gezüchtet. Die unabhängige Forscherin, die unter anderem Präsident Clinton beraten hat, sprach von einem hochrangigen Mikrobiologen des US-amerikanischen-Biowaffenprogramms, der als Täter in Frage käme. Ohne erhebliches wissenschaftliches Know-how und Zugang zu entsprechend virulenten Anthrax-Stämmen wären die Briefanschläge nicht möglich gewesen, meint auch van Aken. Zudem seien die Partikel in dem Kuvert an Senator Tom Daschle mit dem Trocknungsmittel Silica versetzt worden, und das werde beim geheimen Biowaffen-Programm der USA eingesetzt und nicht in umgehend verdächtigten Herkunftsländern wie Irak. Dieser Tage berichteten dann »Washington Post«, »New York Times« und »Baltimore Sun«, dass das verschickte Milzbrand-Pulver den von Militärwissenschaftlern entwickelten Sporen des Typs »Ames« entspreche. Mitarbeiter des Forschungszentrums in Dugway im US-Staat Utah hätten bestätigt, mit einem solchen Material gearbeitet zu haben - womit die USA-Regierung, die sich 1969 dem B-Waffen-Verbot anschloss, aber gerade die Genfer Überprüfungskonferenz der Konvention platzen ließ, erstmals öffentlich einräumte, diese lebensgefährlichen Bakterien entwickelt zu haben. »Das ist schon ein gewisser Schock«, zitierte die Zeitung Jonatan Tucker, einst Mitglied der UN-Waffenkontrollgruppe in Irak und heute Direktor des Washingtoner Zentrums zur Nichtweiterverbreitung von chemischen und biologischen Kampfstoffen. Seit 1992 sei Anthrax-Material in kleinen Mengen und trockener Form produziert worden, um Abwehrmöglichkeiten bei B-Waffen-Angriffen zu erforschen. Wie die »Washington Post« schrieb, wurden die Proben in den vergangenen Jahren mehrmals zwischen dem Zentrum in Utah und dem Medizinischen Forschungsinstitut des Heeres für Ansteckende Krankheiten (USAMRIID) in Fort Detrick (Maryland) hin und her transportiert, wobei man einen privaten Postdienst benutzte. Insgesamt gebe es nur fünf Labors in den USA, die von dieser Armee-Einrichtung diese genetische Variante des so genannten Ames-Bakterienstammes erhalten hätten. Auch anonyme Washingtoner Regierungsquellen gehen davon aus, dass der Attentäter eine Erhöhung des Budgets für die Biowaffen-Forschung der USA erzwingen will. Die Milzbrand-Briefe haben bisher fünf Todesopfer gefordert. In Washington ist ein Kongress-Gebäude noch immer geschlossen, da alle Versuche scheiterten, die Sporen durch großflächigen Begasung zu vernichten. 3000 besonders gefährdete Kongress- und Postmitarbeiter hatten nach Bekanntwerden der ersten Anthrax- Fälle Antibiotika für bis zu 60 Tage erhalten. Doch meinen Wissenschaftler, dass die Sporen bis zu 100 Tage in der Lunge bleiben können, bevor sie sich verbreiten. Die jetzt angebotene Impfung könnte dagegen einen deutlich längeren Schutz bieten. Allen, die sich nicht mit dem noch nicht zugelassenen, aber schon bei über 500000 USA-Soldaten getesten Medikament impfen lassen wollen, bieten die Gesun...

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