Ärger an der Grundstücksgrenze

Nachbarschaftsrecht

  • Lesedauer: 4 Min.
Menschen reagieren dann besonders empfindlich, wenn man ihnen zu nahe kommt. Das gilt auch im Immobilienwesen. Oft wird vor Gerichten erbittert gestritten, weil einem Grundstückseigentümer der Nachbar vermeintlich mit seiner Grenzbepflanzung zu nahe gerückt ist oder weil die »Demarkationslinie« auf andere Weise verletzt wurde.

Mal ist es die Mauer, mal der Zaun und mal der Müllcontainer - der Infodienst Recht und Steuern der LBS hat Urteile deutscher Gerichte gesammelt, in denen es um diese Fragen geht: An der Grundstücksgrenze gibt es immer wieder Ärger.

»Hier wache ich!«

Einfriedungen sind nicht nur da, um die dahinter Wohnenden zu schützen, sondern manchmal auch, um Außenstehende vor Schaden zu bewahren. Zum Beispiel dann, wenn sich ein Hund auf dem Grundstück aufhält. So musste das Oberlandesgericht Stuttgart (Az. 1 U 38/10) entscheiden, ob das Schild »Hier wache ich! Betreten auf eigene Gefahr!« mit der Abbildung eines Hundes ausreicht, um dem Besucher klar zu machen, dass er keinesfalls das Gartentürchen öffnen und das Grundstück betreten soll. Im konkreten Fall konnte man die Klingel nicht anders erreichen. Die Richter waren der Meinung, bei besonders aggressiven Hunden reiche die obige Warnung nicht aus. Hier müsse zum Beispiel die Bissigkeit des Tieres eigens betont werden.

Gefahrenquelle Eisplatte

Der Bürgersteig zählt, was die Verkehrssicherungspflicht betrifft, in der Regel zum Verantwortungsbereich des Anliegers. Gerade im Winter kommt es bei Schnee, Eis und Glätte immer wieder zu Unfällen. Ein Hauseigentümer hatte eine besondere Gefahrenquelle geschaffen, indem er (durchaus ortsüblich) eine Regenwasserableitung vom Dach direkt auf den Bürgersteig führte. Prompt rutschte ein Passant am frühen Morgen auf der so entstandenen Eisplatte aus und verletzte sich. Der Hauseigentümer habe seiner Verkehrssicherungspflicht nicht genügt, urteilte das Oberlandesgericht Naumburg (Az. 2 U 25/13). Er hätte - neben dem Streuen - auch noch mit Warnhinweis und eventuell mit Beleuchtung auf die Gefahrenstelle hinweisen müssen.

Die »nackte« Hausmauer

Manche Grundstücksbesitzer leben geradezu in Symbiose miteinander, weil ihre Hausmauern unmittelbar aneinandergrenzen, teilweise sogar verbunden oder ineinander verzahnt sind. Was geschieht eigentlich, wenn der eine sein Gebäude abreißt und die (nicht isolierte) Mauer des anderen plötzlich »nackt« da steht? Das musste das Oberlandesgericht Dresden (Az. 11 U 568/08) entscheiden. Es beschloss, dass der Verursacher des Abrisses und damit des Schadens an der gemeinsamen Grenzeinrichtung für eine fachgerechte Isolierung aufkommen müsse.

Die Steine des Anstoßes

Wenn ein Anwesen nicht genügend nach außen abgesichert ist, dann nehmen sich manche Zeitgenossen ziemliche Freiheiten heraus. So zum Beispiel das Parken auf einer gar nicht dafür vorgesehenen Wiese. Um das zu verhindern, beschloss eine Eigentümergemeinschaft, drei große Findlinge aufstellen zu lassen, die ein Befahren der verbotenen Fläche verhindert hätten. Ein Mitglied der Gemeinschaft klagte dagegen. Die Richter des Amtsgerichts Oberhausen (Az. 34 C 94/12) gaben ihm Recht. Das Aufstellen solch wuchtiger Steine stelle eine bauliche Veränderung dar, die nur einstimmig beschlossen werden könne. So blieb der Gemeinschaft als Alternative nur das Anpflanzen von Büschen oder das Aufstellen eines Zaunes.

Das Müllhäuschen bleibt

Anwohner eines Altenheims fühlten sich durch ein Müllcontainerhaus an der Grundstücksgrenze beeinträchtigt. Von dort drängen Abfallgerüche herüber, Ungeziefer werde angelockt und die Deckel der Tonnen würden vom Personal auch nicht immer ordentlich geschlossen. Aber das Verwaltungsgericht Neustadt (Az. 3 K 470/15.NW) ließ das Müllhäuschen bestehen. Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme werde hier nicht verletzt. Die Errichtung des Gebäudes sei sozialadäquat gewesen.

Natur hat Vorrang

Die Fernwirkung von einem Grundstück auf das andere ist nicht zu unterschätzen. So fühlte sich ein Hauseigentümer gestört, weil zwei 25 Meter hohe Eschen, die auf öffentlichem Grund standen, sein Anwesen verschatteten. Der Fall ging bis vor die höchste Instanz, den Bundesgerichtshof (Az. V ZR 229/14). Die Juristen entschieden, dass die beiden Bäume bleiben dürften, weil sie keine schwere und unerträgliche Beeinträchtigung darstellten. Außerdem sei die Natur in der Stadt wichtig für die Luft- und Lebensqualität.

Streit um Elefantengras

Zwei Nachbarn in Bayern kamen über eine grenznahe Bepflanzung mit Elefantengras ins Streiten. Das Schilfgewächs, das mehrere Meter hoch werden könne, stelle eine Beeinträchtigung dar, meinte der Kläger. Er befürchtete, dass üppiges Wurzelwerk auf seinen Grund herüberwachsen könne, und dass die ausgetrockneten Blätter in der Hitze Feuer fangen könnten. Beides betrachtete das Landgericht Coburg (Az. 32 S 23/09) als nicht so dramatisch. Zudem handle es sich bei Elefantengras nicht um Bäume, Sträucher oder Hecken, weswegen die Vorschriften zur Grenzbepflanzung nicht anzuwenden seien. LBS/nd

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