Guernica an einer Flugzeughalle

Künstlerpaar will Picassos Gemälde für eine Lichtinstallation in Oranienburg verwenden

In Oranienburg wurden Bomber gefertigt, mit denen die Legion Condor im Spanienkrieg Angriffe flog. Die Designer André Großmann und Graziella Andreone aus Falkenthal möchten an die Opfer erinnern.

Mit Festtagen vom 3. bis 12. Juni und mit einem Umzug durch die Innenstadt am 4. Juni von 13 bis 15 Uhr feiert Oranienburg die erste urkundliche Erwähnung des Ortes vor 800 Jahren. Designer André Großmann findet das »legitim«, beteiligt sich selbst am 5. Juni mit einem Stand am Markt der Möglichkeiten.

Doch ihm sei aufgefallen, dass die Nazizeit im Programm keine Rolle spielte, sagt er. »Das hat mich furchtbar geärgert.« Großmann und seine Frau Graziella Andreone möchte, dass auch die negativen Seiten der Stadtgeschichte zur Sprache kommen. »Wir müssen uns dieser Vergangenheit stellen«, findet Großmann. Als engagierte Künstler nehmen sie die Angelegenheit selbst in die Hand.

An eine alte Halle der Heinkel-Flugzeugwerke am westlichen Stadtrand von Oranienburg möchten sie in einer Lichtinstallation das berühmte Bild »Guernica« projizieren. Pablo Picasso malte diesen eindrücklichen künstlerischen Appell für den Frieden 1937, nachdem im April deutsche und italienische Faschisten den Ort Guernica bombardiert hatten. Die deutsche Legion Condor verwendete für diesen Luftangriff auch Kampfflugzeuge des Konstrukteurs Ernst Heinkel. Im Spanienkrieg kamen beispielsweise Bomber vom Typ He 111 zum Einsatz. Die Bordwaffen seien in der Halle in Oranienburg justiert worden, erzählt André Großmann. Die Halle sei ein Jahr lang gebaut und eine Woche nach der Zerstörung Guernicas eingeweiht worden. Später haben in Oranienburg gefertigte Flugzeuge schwere Verwüstungen in Coventry, London und Leningrad angerichtet, »praktisch Europa in Schutt und Asche gelegt«, wie Großmann sagt.

Als Fitnessstudio und Diskothek sei die Immobilie schon im Gespräch gewesen, ergänzt seine Frau, die aus München stammt und italienische Wurzeln hat. Man könne nur froh sein, dass daraus nichts geworden sei. Denn besser sollte hier ein Gedenkort entstehen, findet Andreone. Die Lichtinstallation wäre ein Anfang.

Ob Picassos Bild nur für eine Nacht oder für längere Zeit auf eine Seitenwand der Halle geworfen wird, das hängt vom Umfang der Mittel ab, die für das Projekt aufgetrieben werden können. Ganz grob schätzt das Designerehepaar den finanziellen Aufwand auf 5000 bis 10 000 Euro. Schließlich müsse das Gemälde aufwendig digitalisiert werden. Das sei sehr teuer. Die Technik sei auch nicht billig, und eventuell müssen Wachleute bezahlt werden, die auf die Geräte aufpassen. Einen genauen Kostenvoranschlag müssen sie erst noch einholen. Mit dem Sammeln von Spenden haben sie schon begonnen. Die Kunststudentin Carlotta-Marie Romano hat ihnen eine Internetseite mit dem Spendenaufruf gestaltet, die noch weiterentwickelt wird, aber bereits freigeschaltet ist.

Auch sind noch einige Details zu klären, etwa ob die Fensterfront unter dem Dach der Halle abgedeckt werden kann, um Picassos Bild auch in diesem Bereich sichtbar zu machen. Falls dies zu umständlich oder zu teuer sei, gehe es aber vielleicht auch ohne, vermutet Großmann. Dann würde der obere Teil des Bildes durch die schräg von unten einfallenden Lichtstrahlen an der Unterseite des Daches zu sehen sein - ein ästhetisch interessanter Effekt.

Großmann und Andreone haben beide an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee studiert, der 64-Jährige vor der Wende, die 49-Jährige danach. Großmann arbeitete anschließend beim Berliner Werkzeugmaschinenwerk in Marzahn, entwarf dort Schleifmaschinen. Heute unterrichtet er an zwei Tagen in der Woche Kunst an einer Privatschule.

Die Familie, zu der eine 14-jährige Tochter gehört, kaufte vor zehn Jahren einen alten Vierseithof in Falkenthal (Oberhavel). Den alten Kuhstall haben sie zur Galerie umgestaltet. Dort steht jetzt ein kleines Modell der Flugzeughalle und an den Wänden hängen Fotos und Zeichnungen, die das geplante sozialkritische Kunstprojekt illustrieren. Dabei spielen auch die Oranienburger Auer-Werke eine Rolle. Dort sei Uranoxid für die Atombombenforschung der Nazis hergestellt worden, erläutert Großmann. Er spricht von einem von langer Hand geplanten militärisch-industriellen Komplex, zu dem auch das KZ Sachsenhausen gehörte, das Häftlinge als Zwangsarbeiter für die Rüstungsindustrie zur Verfügung stellte. Bei den Heinkel-Werken gab es extra ein KZ-Außenlager. Großmanns Großvater war Kommunist und Häftling in Sachsenhausen. Der Großvater überlebte. Andere hatten weniger Glück. Den 11. September hat das Designerpaar als Datum für die Lichtinstallation ins Auge gefasst. Ob das klappt, hängt nicht zuletzt vom Spendenaufkommen ab.

Spenden an die Familien- und Jugendhilfe, Verwendungszweck: Oranienburg-Guernica800 , IBAN: DE75 1605 0000 1000 7246 34, Mittelbrandenburgische Sparkasse, BIC: WELADED1PMB, guernica-oranienburg800.weebly.com

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