Meyers Unglück und das Handwerk

Die Chefs kritisieren: Viele Lehrlinge haben schlechte Noten und sind nicht belastungsfähig

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Handwerksbetriebe sollten nicht so wählerisch sein, fordert Arbeitsministerin Diana Golze (LINKE). Das kommt bei denen nicht gut an.

Fragen der Berufsbildung sind vor allem eines: äußerst kompliziert. Zumindest darin war man sich einig, als am Donnerstagabend der »Gemeinsame Dialog des Handwerks« mit Politik und Gewerkschaften zum Thema berufliche Bildung beendet war.

»Meine Tochter hat so geschickte Hände, ich hätte es gern gesehen, wenn sie ein Handwerk erlernen würde«, klagte der vom Fernsehsender rbb her bekannte Moderator Gerald Meyer. Nun aber studiere sie Theologie. »Ich bin todunglücklich.«

Das Unglück eines prominenten Journalisten war aber nicht das einzige, was an diesem Tag im »märkischen Gildehaus« Caputh zur Sprache kam. Im brandenburgischen Handwerk gibt es derzeit 1250 freie Lehrstellen, sagte der Präsident des Handwerkskammertages Robert Wüst. In dieser Situation sollte die Unterstützung kleiner Betriebe für die Berufsorientierung der Schüler nicht eingestellt werden, mahnte er. Nichts gegen »Berufswahlpässe« oder »Potenzialanalysen«, aber auf diesem Feld benötigen vor allem solche Betriebe Hilfen, »die keine hautamtlichen Ausbilder haben«.

Wenn die Handwerksbetriebe im Wettstreit um Lehrlinge bestehen wollen, dann müssen sie die »Attraktivität« der Ausbildung und auch der späteren Beschäftigungsverhältnisse erhöhen, riet DGB-Landesbezirksvize Christian Hoßbach. Junge Menschen haben schließlich heute die Wahl. Sie seien »anspruchsvoller geworden«. Mit einer höheren Tarifbindung sei man immer auf der richtigen Seite.

Arbeitsministerin Diana Golze (LINKE) sprach davon, dass das Handwerk den Leistungsstarken, aber auch den Leistungsschwächeren eine Perspektive bieten müsse. Vielleicht komme es nicht in jedem Fall so auf die Note in Mathematik an. Damit geriet Golze bei den anwesenden Handwerkern allerdings an die Falschen. Die Mathematiknote sei nicht egal, sagte Reinhard Neumann, Obermeister der Elektroinnung Ostprignitz-Ruppin. »Wir müssen den Lehrling zur Berufsschule schicken. Dort geht er dann unter. Und er kündigt.« Früher habe man Lehrlinge gerade noch genommen, wenn sie in Mathe eine 2, in Physik eine 3 hatten. Heute versuche man es schon, wenn beide Fächer mit 4 bewertet werden.

»Wir haben ein Problem«, sagte Sanitärunternehmer Dierk Lause aus Brandenburg/Havel, und damit meinte er das Bildungswesen. »Wir bekommen junge Ingenieure, da fragt man sich, was haben die überhaupt gelernt?« Lause zweifelte die Aussagekraft von Schulzeugnissen insgesamt an. Die Prüfungsaufgaben nach der 10. Klasse in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern haben seiner Einschätzung nach das Niveau der 7. oder 8. Klasse. »Weil die Prüfung so leicht ist, bekommen sie gute Noten.« Ausbaden müsste das dann die Berufsausbildung.

»Wenn die Qualität der Bewerber immer stärker abnimmt, wie soll dann die Qualität der Ausbildung besser werden?«, fragte Moderator Meyer. Was soll das Handwerk ausrichten, so hieß es aus dem Publikum, wenn es immer weniger Schulabgänger gibt, wenn die meisten Schulabgänger studieren möchten und die noch halbwegs brauchbaren Jugendlichen lieber in die Industrie gehen, wo sie schon als Lehrlinge doppelt so viel Geld bekommen. Es sei ja richtig, dass ein gutes Entgelt nötig ist, bestätigte Friseurmeisterin Brigitte Meißner. Doch die Kunden seien nicht bereit, so viel für ihren Haarschnitt zu bezahlen.

Der Präsident der Handwerkskammer Frankfurt (Oder), Klaus-Harald Krüger, schilderte seine Mühe, Praktikanten zu Pünktlichkeit anzuhalten. Er beobachte auch eine verbreitete Unlust, sich Schwierigkeiten zu stellen. »Zu viele sind nicht mehr belastungsfähig.« Seite 13

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