Konto für Jedermann und Jedefrau

Rechtsanspruch auf ein Girokonto

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
In Deutschland leben eine Million Menschen ohne Konto. Schätzt die EU-Kommission. Kreditinstitute weigerten sich, sie als Kunden aufzunehmen. Doch »kontolose« Verbraucher haben seit dem 19. Juni 2016 erstmals einen Rechtsanspruch auf ein Girokonto.

Im Jahr 1995 hatten private und genossenschaftliche Banken sowie die Sparkassen im gemeinsamen »Zentralen Kreditausschuss«, kurz ZKA, eine Empfehlung beschlossen. Danach sollte jedem Verbraucher ein Girokonto eröffnet werden - wenigstens auf Guthabenbasis. Wer also Geld auf ein Girokonto hat, eben ein Guthaben, darf es auch von dort aus überweisen, verwalten oder abheben. Zuvor war der politische und gesellschaftliche Druck auf die Branche sehr stark geworden: Zeitweilig drohte schon damals eine gesetzliche Pflichtregelung durch die Bundesregierung.

Aber in der Praxis rutschten dann weiterhin viele, vor allem ärmere Menschen durch ein juristisch nicht wasserdichtes Schlupfloch. Oft genügte für eine Ablehnung schon ein negativer Schufa-Eintrag. Kreditinstitute waren nach ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung nicht genötigt, ein Girokonto für einen Antragsteller zu führen - wenn dies als »unzumutbar« gilt. Unzumutbar ist ein Kunde, der falsche Angaben macht oder Beschäftigte grob belästigt. Bei »Unzumutbarkeit« darf die Bank sogar ein bereits bestehendes Konto jederzeit kündigen.

Konto für Flüchtlinge

Einen Ausweg für Kontenlose boten vor allem die Sparkassen. In neun Bundesländern sind sie durch Landesgesetz verpflichtet, für »natürliche Personen« - also jeden Verbraucher - in ihrem Geschäftsgebiet Guthabenkonten zu führen. Diese Regelungen sind Ausdruck des öffentlichen Auftrags der Sparkassen. Sie müssen Verbraucher vor Ort mit Finanzdienstleistungen versorgen.

Seit dem 19. Juni 2016 haben Verbraucherinnen und Verbraucher einen Rechtsanspruch auf ein Girokonto mit Mindestfunktionen, das »Basiskonto«. Dafür sorgt das neue Zahlungskontengesetz (ZKG). Es setzt eine EU-Richtlinie um.

Mit dem sogenannten Basiskonto, einem einfachen Konto auf Guthabenbasis, können Verbraucher wie mit einem normalen Girokonto Bargeld ein- und auszahlen, Überweisungen tätigen, Lastschriften erteilen, Daueraufträge einrichten, mit Karte zahlen. Ein Basiskonto kann nicht überzogen werden. Es gibt keinen Dispokredit und keine Kreditkarte als Zahlungsmittel.

Alle Verbraucher mit rechtmäßigem Aufenthalt in der Europäischen Union können ein solches Basiskonto beantragen. Dazu zählen auch Personen ohne festen Wohnsitz und Asylsuchende sowie Personen ohne Aufenthaltstitel, die aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden können.

Nach früheren Schätzungen sollen etwa 670 000 Menschen in Deutschland kein Konto gehabt haben. Spätestens seit dem Flüchtlingsandrang im September 2015 war klar, dass die Zahl der »Kontolosen« rapide steigen dürfte. Das im März auch im Bundesrat endgültig gebilligte Gesetz soll nach früheren Angaben etwa einer Million Menschen zugute kommen.

Einen Antrag darf stellen, wer nicht bereits Inhaber eines anderen Zahlungskontos innerhalb der Europäischen Union ist oder nur ein Konto hat, das nicht mehr genutzt werden kann. Beispielsweise, weil es überzogen ist und das eingehende Geld immer sofort gepfändet wird.

Kontrolle ist besser

»Dass nun endlich jeder ein Recht auf ein Girokonto hat, ist ein Meilenstein für alle Verbraucher und uns Verbraucherschützer«, freut sich Hjördis Christiansen von der Verbraucherzentrale Hamburg. »Die Entscheidung war überfällig und wurde von Seiten der Politik über zwei Jahrzehnte auf die lange Bank geschoben.«

Dabei sei seit vielen Jahren klar gewesen, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft zum »Girokonto für Jedermann« nicht umgesetzt wurde. Allein bei der Verbraucherzentrale in Hamburg meldeten sich jedes Jahr mehr als 100 Verbraucher, denen ihr Kreditinstitut kein Girokonto einrichten wollte.

Das Gesetz zwingt nun Banken, künftig ihre Kontogebühren so zu veröffentlichen, so dass auch Verbraucher ohne besondere Fachkenntnisse die verschiedenen Angebote problemlos vergleichen können. Zudem soll Kunden der Wechsel der Bank erleichtert werden. Die Verbraucherzentrale Bremen hat vorab schon alle in Bremen und Bremerhaven arbeitenden Banken und Sparkassen angeschrieben. »Das Ergebnis ist ernüchternd«, sagt Vorstand Annabel Oelmann. Die Antworten auf die Frage »Was kostet das Basiskonto in Ihrem Hause?« reichen von 12 Euro Jahresgebühr bis zu 8,95 Euro monatlich! Zu teuer.

Das Konto müsse für alle finanzierbar sein, fordern Verbraucherschützer. Sie haben bereits angekündigt, den Banken und Sparkassen »genau auf die Finger zu schauen«. Wird die Eröffnung eines Basiskontos verweigert, können Betroffene sich bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Ba- fin) beschweren unter Servicetelefon (0228) 299 70 299. Sie können sich auch an die Schlichtungsstellen »ihres« Kreditinstituts wenden.

Die Bafin hält auf ihrer Internetseite (bafin.de) ein Antragsformular für den Abschluss eines Basiskontovertrags bereit.

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