Die Drei ??? und das Grauen

Die TV-Serie »Stranger Things« ist eine Hommage an das Mystery-Kino der 80er Jahre

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

An der Serie »Stranger Things« könnte sich ein Generationenkonflikt entzünden. Denn wenn eine Produktion vor allem von der nostalgischen Erinnerung an eine konkrete Epoche zehrt - in diesem Fall die 80er Jahre und ihre Popkultur -, was machen dann die »zu jungen« Zuschauer? Bei »Stranger Things« kann man feststellen: Wer »E.T.«, »Stand By Me«, »Poltergeist« oder »Das Ding aus einer anderen Welt« nicht in ihrer Zeit erlebte, lässt sich bei dieser neuesten Netflix-Serie eben von den ordentlichen Schauspielern, einem edel-düsteren Look und einer dichten Mystery-Atmosphäre ködern - denn auf diesen Feldern enttäuscht »Stranger Things« nicht. Im Gegenteil: Stimmte die Prämisse der gnadenlosen 80er-Retro zunächst sehr misstrauisch, so überrascht der Serienbeginn durch eine intensive und bleich-düstere Gesamtstimmung. Hier werden auch nicht stupide die damaligen Blockbuster zitiert, sondern werden diese mit dichtem Zigarettenrauch, Kalter-Kriegs-Angst und Area-51-Paranoia verknüpft. Nicht zuletzt können ja auch in den 60er Jahren angesiedelte Filme berühren, ohne dass man die Zeit erlebt hätte.

Cliquen von aufgeweckten elfjährigen Jungs auf BMX-Rädern sind seit dem Abenteuerdrama »Stand By Me« (Rob Reiner, 1986) ein eindeutiges 80er-Jahre-Merkmal, das J.J. Abrams in seinem Retro-Thriller »Super 8« (2011) endgültig zementierte. Im 1983 angesiedelten »Stranger Things« gibt es nicht nur diese Gruppe - die Jungs sind zudem Tolkien- und Rollenspiel-Fans, sie sind naturwissenschaftlich interessiert und üben sich als Hobbydetektive: Hobbits und die »Drei Fragezeichen« in Personalunion. All das ist aber so inszeniert, dass es auch für Nicht-Teenies erträglich bleibt - trotz Highschool und BMX.

Eines Abends nähert sich dem jungen Will auf dem Heimweg etwas Rätselhaftes. So wie in dieser Szene, wird in der Serie zunächst Vieles im Ungewissen und Unsichtbaren belassen: Stattdessen läuft der Schrecken zunächst über die sehr lauten, höchst effektvollen, manchmal aufdringlichen Geräusche.

Will verschwindet in dieser Nacht spurlos und die Aufklärung seines Schicksals ist Inhalt der acht Serienteile. Man folgt dabei vor allem Wills alleinerziehender Mutter Joyce und dem stets verkaterten und Zigaretten rauchenden Polizisten Jim Hopper. Die Besetzung der Joyce mit Winona Ryder ist ein kleiner Coup - weil Ryder eine ernstzunehmende Schauspielerin sein kann, und weil sie selber eine 80er-Jahre-Ikone ist. Das schützt sie allerdings nicht vor gelegentlichem, sehr störendem Overacting. David Harbour verleiht seinem schlecht gelaunten Bullen über weite Strecken Glaubwürdigkeit. Gelungen sind auch die Zeichnungen der teils rückständigen, teils vom aufsteigenden Neoliberalismus bedrohten Familien. Und alles wird in ruhigen, geschmackvollen, entsättigten, fast bleichen Bildern eingefangen.

Die Duffer-Brüder, die für Buch und Regie verantwortlich sind, vermischen den zunächst konventionellen Kriminalfall mit der ganzen trashigen Wundertüte der 80er-Jahre-Paranoias: Die Existenz von Aliens wird angedeutet, sinistre Wissenschaftler entwickeln gruselige Viren, die natürlich entwischen - und alle werden überwacht. Von wem, das ist eine der großen Fragen in »Stranger Things«.

Die Serie ist bei Netflix verfügbar

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