Rennrodler liebt jetzt das Bergwandern

ASSE von einst - damals und heute: Klaus Bonsack / Der Ex-Thüringer feierte gestern seinen 60. Geburtstag im österreichischen Lans

Beim Isserwirt ging es am gestrigen zweiten Weihnachtsfeiertag am Abend ziemlich hoch her. Im Gasthof »Zur Traube« in Lans bei Innsbruck - unweit der Rennrodelbahn unterhalb des Patscherkofels - feierte der einstige Rennrodel-Olympiasieger Klaus Bonsack seinen 60. Geburtstag. Und es war auch kein zufälliger Treffpunkt im kleinen Ort Lans, denn die dortige Pension der Familie Raitmayr war über Jahrzehnte das Stammquartier der DDR-Rennrodler auf dem Weg zur Olympiabahn von Innsbruck-Igls.

»Technisch bester Fahrer der damaligen DDR-Elite«
Auch diesmal kamen viele der einstigen Wegbegleiter von Klaus Bonsack zur Jubiläumsfeier zum Isserwirt: Dr. Thomas Köhler beispielsweise, Bonsacks langjähriger Doppelsitzer-Partner beim SC Traktor Oberwiesenthal. Mit dem heute in Berlin lebenden und als Marketingleiter eines bekannten Feinkost-Unternehmens tätigen Köhler war Bonsack 1961 noch als Starter der ASG Vorwärts Gotha erstmals DDR-Meister und später zwischen 1963 und 1968 gleich fünf Mal in Serie DDR-Titelträger geworden. Gemeinsam feierte sie ihren größten sportlichen Triumph 1968 in Grenoble als Olympiasieger. »Dieser Sieg war besonders wichtig nach der Disqualifikation der DDR-Rennrodlerinnen Ortrun Endlerlein, Anna-Maria Müller, die beide nach drei Läufen geführt hatten, und Angela Knösel wegen angeblich geheizter Kufen«, erinnert sich Bonsack. »Denn hätten wir mit dem Doppelsitzer verloren, würde man immer behauptet haben, dass die Ursachen der DDR-Erfolge geheizte Kufen waren.«
Klaus Bonsack fuhr in Grenoble im Einsitzer hinter dem Österreicher Manfred Schmid und Köhler als Olympia-Dritter noch eine weitere Medaille heraus.
Zur Gratulantenschar gehörten aber auch der Olympiasieger von 1972, Wolfgang Scheidel aus Ilmenau, und der Berchtesgadener Sepp Fendt, einst Mitkonkurrent und heute Präsident des Rodel-Weltverbandes FIL.
»Bonsack war der technisch beste Fahrer der damaligen DDR-Elite«, schwärmt noch heute Thomas Köhler - später DDR-Verbandstrainer und DTSB-Vizepräsident - über seinen Doppel-Partner. In der Tat war Bonsack in den 60-er bis Anfang der 70-er Jahre einer der profiliertesten Rennschlittenfahrer der Welt. Zwischen 1964 und 1972 gewann er bei drei aufeinanderfolgenden Olympischen Winterspielen insgesamt vier Medaillen und wurde sechsfacher WM-Medaillengewinner. Seine olympische Erfolgsserie wurde später vom Berchtesgadener Georg Hackl mit vier Plaketten bei den Spielen von 1988 bis 1998 eingestellt.

Im Osten gefeuert, aber in Österreich gefeiert
Der gelernte Bauschlosser und spätere Maschinenbau-Ingenieur, der erste Bekanntschaft mit dem Rodelsport in Friedrichroda geschlossen hatte, gehörte auf Grund seiner beruflichen Qualifikation zu denen, die ihren Schlitten perfekt für das Rennen selbst präparierten. »Auch in dieser Hinsicht war Klaus ein Klassemann, der sich in den Dienst der ganzen Mannschaft stellte und oft nächtelang die Kufen der Schlitten seiner Mannschaftskameraden vorbereitete«, flocht Thomas Köhler dem Jubilar einen weiteren Kranz.
Dabei war es nicht die Art von Bonsack, sich irgendwie in den Vordergrund zu rücken. Er blieb meist bescheiden im Hintergrund. Das zeichnete ihn auch in der Zeit nach seiner aktiven Laufbahn aus, als er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im zuständigen DDR-Verband für die wissenschaftlich-technische Schlittenentwicklung verantwortlich zeichnete. Der Aufstieg des DDR-Rennrodelsports zum weltweit bestimmenden »Maß der Dinge« ist zu einem Gutteil Klaus Bonsack, der eine zeitlang auch Vizepräsident des Weltverbandes FIL war, zu verdanken.
Um so mehr hat es ihn getroffen, dass er als ausgewiesener Schlitten-Experte nach der Wende mit nicht mal 50 Jahren im Osten gefeuert wurde. Im Juni 1990 vom DTSB gekündigt, kehrte er gezwungenermaßen im Herbst 1990 dem deutschen Schlittensport endgültig den Rücken und ging nach Österreich. »Es war damals keine leichte und schon gar nicht leichtfertige Entscheidung, nachdem ich fast mein ganzes bisheriges Leben dem hiesigen Schlittensport gewidmet hatte. Zudem bin ich eigentlich ein bodenständiger Typ. Aber mir blieb gar keine andere Wahl«, erinnert er sich. Als damals die Österreicher an ihn herantraten und ihm das Amt als Cheftrainer des Verbandes antrugen, war Bonsacks Reaktion zunächst ablehnend. »Mein Einwand war: Es gibt doch genug andere und viel erfahrenere Trainer als mich. Denn ich war ja von Hause aus kein Trainer.«
Klaus Bonsack brachte - wie so viele arbeitslos gewordene DDR-Trainer, die sich ein anderes Betätigungsfeld suchen mussten und außer Landes gingen - fortan seine DDR-Sporterfahrungen auf trainingsmethodischem und insbesondere wissenschaftlichem Gebiet ein. »Natürlich konnte man nicht von heute auf morgen das über Jahre gewachsene österreichische Sportmodell umkrempeln und komplett durch das wissenschaftliche Know-how aus dem früheren DDR-Sport ersetzen«, war sich Bonsack im Klaren. Doch er bewegte mit seinen Ideen einiges im österreichischen Verband, entwarf auch ein Konzept der verbesserten Sichtung von Nachwuchstalenten und ließ natürlich nicht ab von seiner Vorliebe als »technischer Tüfftler«. So entwickelte er eine ausschließlich in der schneelosen Zeit genutzte Startrampe, die in einem alten, baufälligen Schuppen untergebracht war. Mancher erklärte ihn darob für verrückt, aber auch dieses technische Experiment zeitigte internationale Erfolge der österreichischen Rennrodler - angeführt vom noch immer zur Weltspitze gehörenden Ex-Weltmeister Markus Prock.

Sein Rat noch immer im Rennrodler-Lager gefragt
Der nach wie vor ranke und schlanke gebürtige Thüringer - aufgewachsen in Waltershausen - gab zwar vor einigen Jahren sein Amt als österreichischer Cheftrainer auf, ist aber dem Rodelsport weiter treu geblieben. Im Lager der Rennrodler ist die Meinung des Wahl-Innsbruckers als Mitglied der Technischen Kommission und als Vorsitzender der Bahnbau-Kommission der FIL noch immer recht viel gefragt.
Allerdings wird Klaus Bonsack, der seit der Aufnahme des Rodelsports 1964 ins Olympiaprogramm bei sämtlichen Winterspielen entweder als Aktiver, Techniker, Trainer oder FIL-Vertreter dabei war, im Februar in Salt Lake City erstmals nicht vor Ort sein. Das hat berufliche Gründe. »In der Tiroler Firma, in der ich jetzt arbeite, ist die Auftragslage so, dass wir derzeit Tag und Nacht durcharbeiten könnten«, begründet er seinen Olympiaverzicht. »Wir stellen Festzelte, Autoplanen, Abdeckungen für Schneekanonen und Begrenzungen für Skipisten her.«
Auch »sportlich ganz privat«, wie er sich ausdrückt, ist Klaus Bonsack noch immer aktiv. Während er sich gern an die Zeit in den 70-er Jahren in der DDR erinnert, als er mit zu den ersten gehörte, die sich für das damals noch unbekannte Surfen interessierten, gehört heute seine Liebe dem Bergwandern. »Gerodelt bin ich ja wahrlich genu...

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