Lösung im Luckenwalder Kopftuchstreit
Palästinenserin bekommt verschiedene Praktikumsplätze angeboten – nun sogar auch von der Stadtverwaltung
»Bei mir im Büro gibt es keine Kleidungsvorschriften«, sagt der Bundestagsabgeordnete Norbert Müller (LINKE). Er ist selbst kein Typ mit Schlips und Kragen, sondern stets lässig angezogen. Um Mode geht es hier aber gar nicht, sondern um politische Überzeugungen und religiöse Ansichten.
Wie berichtet, kündigte Luckenwaldes Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide (SPD) einer 48-jährigen Palästinenserin bereits an deren erstem Arbeitstag im Rathaus. Die Bürgermeisterin pochte auf das Neutralitätsgebot. Doch die Praktikantin weigerte sich, ihr Kopftuch abzulegen. Eigentlich sollte das Praktikum sechs Wochen andauern, im Rahmen des Projekts »Perspektiven für Flüchtlinge«. Der Fall schlug Wellen. Der Landtagsabgeordnete Thomas Jung (AfD) applaudierte, wenn das christliche Kreuz nicht nicht zulässig sei, »dann darf es auch keine Extrawürste für Muslime geben«.
Die CDU-Landtagsfraktion lehnt einerseits ganz allgemein die Vollverschleierung ab, weil sie nicht »unserer Gesellschaft des offenen Gesichts« entspreche – Stichwort: Debatte über ein Burka-Verbot. Andererseits stellte sich die CDU-Fraktion konkret in Luckenwalde, wo es um ein einfaches Kopftuch geht, hinter die Palästinenserin. Begründung: Das Bundesverfassungsgericht habe sich sehr klar gegen pauschale Kopftuchverbote im öffentlichen Dienst ausgesprochen.
Sozialist Müller bot der Palästinenserin nun am Donnerstag via Arbeitsagentur einen Praktikumsplatz in seinem Büro im Bundestag an. »Ich würde mich sehr freuen, wenn ich sie bald als Praktikantin in Berlin begrüßen dürfte, und zwar mit oder ohne Kopftuch, das ist mir nämlich herzlich egal«, sagte er. »Das Neutralitätsgebot vorzuschieben, um Ressentiments zu verdecken, ist aus meiner Sicht nicht in Ordnung«, kritisierte Müller das Vorgehen der Bürgermeisterin. »Zu einer pluralen Gesellschaft gehört es eben auch, dass sich Menschen unterschiedlich kleiden.«
Das Straußberger Bildungs- und Sozialwerk als Träger des Projekts »Perspektiven für Flüchtlinge« wollte zu den Verwicklungen keine Stellung nehmen. Geschäftsführer Tim Hoffmann sagte lediglich, bislang habe es solche Probleme mit muslimischen Flüchtlingen nicht gegeben. »Wir sind zuversichtlich, dass wir die Frau schon bald woanders unterbringen können«, erklärte Hoffmann. Er bestätigte, dass es verschiedene Angebote gebe.
Anscheinend wollte auch die Stadt Luckenwalde am Donnerstag noch einen Kompromiss schließen, indem sie der Palästinenserin doch noch ein Praktikum offeriert, das dann aber nicht im Rathaus zu absolvieren wäre.
Tatsächlich kündigte die Stadtverwaltung kurzfristig für 15 Uhr eine Pressekonferenz von Bürgermeisterin Herzog-von der Heide im Sitzungssaal des Rathauses an. »Im Falle der muslimischen Praktikantin konnte zeitnah eine Lösung gefunden werden«, hieß es in der Einladung.
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