Wird Polen zur Ölmacht?

Kauf von Ölfeldern / Orlen hält an umstrittener Raffinerie in Litauen fest

  • Aureliusz Pedziwol, Prag
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Der reichste Mann Polens greift nach der libyschen Ölfirma Tamoil. Der zweitreichste hat Ölfelder in Kasachstan gekauft und PKN Orlen übernimmt die litauische Raffinerie Mazeikiu Nafta. Polen versucht sich von der russischen Abhängigkeit zu lösen.

Im Wettrennen um die litauische Raffinerie Mazeikiu Nafta hat sich Polens Ölriese PKN Orlen gegen die staatliche russische Ölgesellschaft Rosneft durchgesetzt. Mit der Übernahme der größten baltischen Raffinerie, die immerhin eine Kapazität von 12 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr hat, setzt der polnische Marktführer bei der Versorgung mit Öl und Ölprodukten seine Expansion im Ausland fort. Er verfügt bereits über fast die gesamte Ölindustrie in Tschechien und ein Tankstellen-Netz in Deutschland. Zugleich erhöht sich die Abhängigkeit PKN Orlens vom großen Nachbarn. Schon das eigene Hauptwerk, die Raffinerie in Plock an der Weichsel, war einst für die Verarbeitung russischen Rohöls errichtet worden. Auch die litauische Raffinerie arbeitet traditionell mit russischem Öl. Doch Russland hatte aus Verärgerung über den Griff nach dem litauischen Werk Ende Juli die Versorgung eingestellt. Angeblich soll ein Leck an der Ölleitung nach Litauen die Unterbrechung nötig gemacht haben. Beobachter schließen ähnliche Ausfälle für die Zukunft nicht aus. Die Raffinerie bezieht ihr Öl derzeit von einem Terminal an der Ostsee. Am 12. Oktober kam ein Großbrand in der Raffinerie hinzu. Die Ursache konnte bisher nicht festgestellt werden. Damit bleibt die fehlende Ölgewinnung die Achillesferse des polnischen Ölkonzerns. Die Geschäfte der beiden reichsten Polen kommen da PKN Orlen gerade recht - auch wenn bisher kein direkter Zusammenhang mit dem Öldurst des Warschauer Konzerns sichtbar ist. Jan Kulczyk, mit einem geschätzten Vermögen von 1,1 Milliarden Euro der reichste Landsmann, soll laut der Warschauer Wirtschaftszeitung »Puls Biznesu« vor dem Kauf der italienischen Ölfirma Tamoil stehen, die seit 1988 dem libyschen Staat gehört. Tamoil, das Öl aus Afrika bezieht, gehören unter anderm Raffinerien in Hamburg, Colombey (Schweiz) und Cremona (Italien) sowie über 3000 Tankstellen in Deutschland, Italien und Nordafrika. Das Unternehmen ist auch als Sponsor der italienischen Fußballmeisters Juventus Turin bekannt. Ryszard Krauze, der zweitreichste Pole, hat sein Ziel bereits erreicht. Vier Ölfelder in Kasachstan und drei in Russland gehören seiner Gesellschaft Petrolinvest. Wie er gegenüber der Zeitung »Dziennik« gesagt hat, besitzt er ungefähr die Hälfte der Anteile an den Ölfeldern, deren Vorräte auf 2 Milliarden Barrel Öl geschätzt werden. Der Kauf dürfte 400 Millionen Dollar kosten, ebensoviel muss Krause investieren. So viel Geld hat noch keine polnische Firma im Ausland ausgegeben. Die Bohrungen sollen im April beginnen, die Ölförderung noch vor Ende 2007. Die Geschäfte von Krause und Kulczyk könnten PKN Orlen helfen, die Abhängigkeit von russischen Lieferanten zu verringern - und seinen Kampf um die Spitzenstellung in Mitteleuropa noch aggressiver als bisher fortzusetzen. Zugleich könnte auch die lange Leidensgeschichte von Mazeikiu Nafta ein vorläufiges Ende nehmen. Die Großraffinerie aus Sowjetzeiten war 1999 an einen amerikanischen Betreiber verkauft worden. Die damalige Regierung hatte die Bedingungen bewusst so gestaltet, dass russische Bewerber keine Chance hatten. Drei Jahre später ging das Unternehmen dennoch an die russische Jukos des Oligarchen Michail Chodorkowski. Russland wollte in der Folge der faktischen Verstaatlichung von Jukos auch nach der Raffinerie in Litauen greifen. Doch diese war rechtlich in der Hand einer ausländischen Jukos-Tochter. Ein New Yorker Gericht machte im Mai den Weg frei für einen Verkauf. Das Bieterrennen gewann PKN Orlen. Russland hat die Niederla...

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