Die 13 Weihnachtsmänner der Hexe Grýla

Sie haben nur dummes Zeug im Kopf, doch am Heiligen Abend beschenken sie Islands brave Kinder

  • Helga Ernst-Grabow
  • Lesedauer: ca. 4.0 Min.
Wintertage in Island sind kurz. Es ist die Zeit des Geschichtenerzählens. Schon bei den Wikingern war das so. In den Edda-Gesängen und Sagas blieben diese Geschichten erhalten. Sie erzählen vom Leben der Menschen im Land der Gletscher und Vulkane und von ihrem Verhältnis zu Geistern und Dämonen. Bis heute glauben die Nachfahren der Wikinger an sie. »Kein Wunder. Wenn die Geysire aus der Erde zischen, über den natürlichen Thermalbecken heiße Dämpfe wabern und die Nordlichter in fantastischen Farben über den dunklen Nachthimmel irren, hat das schon etwas Mystisches«, sagt Jon mit einem Augenzwinkern.
Jon Baldur Thorbjörnsson führt eine Agentur, die Islandtouren für kleine Gruppen anbietet. Wie bei fast allen Isländern sitzt ihm der Schalk im Nacken. Deshalb können auch die Streiche von Grýla und ihren 13 Weihnachtsmännern, die wir von ihm erfahren, keinen so recht erschrecken.

Runter zu den Menschen
Nach alter Sage wohnt Grýla mit ihrem troddeligen Mann Leppaluði, den 13 inzwischen schon sehr alt gewordenen Kindern und einer boshaften schwarzen Katze oben in den unwegsamen, 2000 Meter hohen Bergen. Mit ihrer langen Nase, dem spitzen Kinn und der verhutzelten Gestalt sieht sie fürchterlich aus. Jedes Jahr am 12. Dezember schickt sie den ersten ihrer Lausbuben runter zu den Menschen, am nächsten Tag den zweiten, und am 24. Dezember sind alle 13 unten. Am 25. Dezember verschwindet der erste, bis dann am 6. Januar alle wieder weg sind. Die »Lausbuben« sind die Jólasveinar, die 13 isländischen Weihnachtsmänner, die nur dummes Zeug im Kopf haben.
Der erste heißt Stekkjastaur (Schafsschreck), weil er auf die Schafe der Bauern Jagd macht und die Milch wegtrinkt. Hurðaskellir (der Türknaller) schlägt mit besonderer Freude Türen zu, wenn die Leute ein Mittagsschläfchen halten wollen. Der Skyrgámur (Quarkverschlinger) ist ein besonders dummer Kerl. Er prügelt auf den Skyr-Bottich ein, bis der Deckel kaputt geht und er die Quarkspeise verschlingen kann. Und dann gibt es noch Bjúgnakrækir (den langfingerigen Würstchendieb), der die Würste aus dem Rauchfang klaut. Der letzte, der am 24. Dezember kommt, heißt Kertasníkir (der Kerzenschnorrer). Er hat es auf Talgkerzen abgesehen.
So viel dummes Zeug die 13 Lausbuben auch im Kopf haben, am Heiligen Abend legen sie den Kindern Geschenke in die Schuhe. Die werden lange vor dem Fest geputzt und gewienert und dann draußen aufs Fensterbrett gestellt. Für Eltern ist das eine schöne Zeit. Die Kinder sind brav, denn keiner will riskieren, am Weihnachtsabend nur Kartoffeln statt schöner Geschenke in seinen Schuhen zu finden.
Am Wochenende vor dem 1. Advent zeigen sich die Jólasveinar schon mal alle zusammen in Dimmuborgir - das ist ein gespenstisch-romantisches Gebiet mit bizarren Lavaformationen beim Mývatn-See - den Kindern und ihren Eltern. Anschließend singen sie mit ihnen isländische Weihnachtslieder und machen Späße. Dabei tragen sie traditionelle Kleidung - dicke Wollpullover und -hosen, Strick- oder Häkelmützen.

Traditionen pflegen
Jon findet es wichtig, dass die alten Traditionen von den Isländern gepflegt werden. So herrscht am Heiligen Abend nach dem Glockenläuten der Kirchen zwischen 18 und 20 Uhr andachtsvolle Stille. Kein Flugzeug fliegt, kein Bus fährt, die Fernsehsender schweigen. Nur aus dem Radio klingt stimmungsvolle Musik. In dieser Zeit wird in den Familien das Festmahl eingenommen. Traditionell gibt es Schneehuhn, das nur während einer kurzen Zeit gejagt werden darf. Inzwischen findet man aber auch Schweinebraten oder geräucherte Lammkeule, so genanntes Hangikjöt (gehangenes Fleisch) auf der Festtafel. Zum Essen gehört ein spezielles isländisches Getränk, das »Jólaöl«. Es ist ein Mix aus Malzbier und Orangenlimonade. Gegen 20 Uhr ist endlich Bescherung. Garantiert liegen Bücher auf dem Gabentisch, denn nirgendwo sind die Menschen so literaturverliebt wie in Island. Nationale Autoren werden bevorzugt, weil nur sie die Gefühle der Menschen im Land der ungezähmten Naturgewalten so humorvoll nachvollziehen können.
An den Festtagen hat dann auch Jons Familie endlich Zeit zum Lesen oder Vorlesen. Selbst die längsten Winternächte können es nicht schaffen, den Isländern die gute Laune zu verderben.

 Infos: Isländisches Fremdenverkehrsamt, Frankfurter Str. 181, 63263 Neu-Isenburg, Tel. (06102) 254 484, www.icetourist.de. Es hat zusammen mit Veranstaltern und Airlines einen Nebensaison-Katalog herausgebracht, den man auch unter www.visiticeland.com herunterladen kann.
 Einreise: Staatsbürger aus EU-Ländern benötigen nur einen gültigen Personalausweis oder Reisepass
 Aktivitäten: Hauptspaß im Winter ist das Baden in den heißen Thermalquellen, der Blauen Lagune und den anderen Hotpots unter freiem Himmel. Auch Gletscherfahrten im Jeep, Schneewanderungen bis zu den Eisbergen, Langlauf und Abfahrtsski oder Nordlicht-Erkundungsfahrten sind möglich.
 Touren für kleine Gruppen: Die Agentur von Jon Baldur Thorbjörnsson heißt »Isafold Travel«, Anschrift: Sudurhraun 2 B, IS-210 Gardabær, Tel.: (00354) 544 88 66, www....

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