Wider die Tretmühle auch in dieser Zeit

Beim Umzugsunternehmen Zapf ist der Geist seines Gründers immer noch zu spüren

  • Martin Hardt
  • Lesedauer: 4 Min.

»Ich kann mich noch sehr gut an eine Dame erinnern, die ihren Umzugstermin an einem Tag auf exakt 11 Uhr 10 legen ließ, damit er unter der günstigsten Sternenkonstellation gemacht werden konnte«, erinnert sich Joachim Dulitz, Vorstand, Vertriebsleiter und enger Mitarbeiter des schon zu Lebzeiten legendären Klaus E. H. Zapf, der vor ziemlich genau zwei Jahren mit 62 Jahren verstarb. Wer es noch nicht wusste: Das E und das H stehen für Emil und Heinrich.

»Wir haben genau um 11 Uhr 10 auf die Klingel gedrückt, sonst hätte sie nicht aufgemacht.« Joachim Dulitz und seine Mitarbeiter wissen, was ein Umzug für die Menschen bedeutet. Zunächst bringt er das gewohnte Leben ganz ordentlich durcheinander. Da müssen alle Beteiligten einen kühlen Kopf behalten. Interessanterweise hat man bei Zapf die Erfahrung gemacht, dass die Kunden im Rentenalter noch am besten wissen, wie, was, wann, wo beim Umzug zu geschehen hat. Sie bereiteten sich oft ganz bewusst auf den neuen Lebensabschnitt in der kleineren Wohnung, im Seniorenheim oder bei den Kindern vor. Nicht wenige, wundert sich Dulitz, griffen dabei auch routiniert auf das Internet zurück, wenn es um die Umzugsplanung geht. Das sei bei den Jüngeren, weil stressgeplagt, oft ganz anders.

In jedem Fall aber bleibe der Besuch seiner Mitarbeiter bei den Kunden der entscheidende Moment. Ein Blick auf den Grundriss der neuen Bleibe genüge dann schon oft, um gemeinsam zu beschließen, was mitgenommen wird oder nicht, oder welches Möbel am besten wohin gestellt werden könne. Alles wird protokolliert. Zapf beschäftigt Tischler, um die eine oder andere kleine Anpassung an der Küche zum Beispiel schnell erledigen zu können. Zeit ist Geld im Umzugsgeschäft und je schneller die neue Wohnung bewohnt werden kann, desto kürzer ist die Eingewöhnungszeit. Manche Kunden nehmen diesen Anspruch aber auch wörtlich. Ein langjähriger Zapf-Kollege hatte einen Umzug in ein Haus zu bewerkstelligen. Nur waren drinnen noch keine Wände eingezogen. Dafür hatte der neue Eigentümer mit Kreide aufgezeichnet, wo Schlafzimmerschrank und -bett aufgebaut werden sollten. Das Haus hatte auch nur Folie auf dem Dach. Es war ein Umzug ins Zelt.

»Wir Menschen gehören nicht in die Tretmühle« so das ideenstrotzende Arbeitstier E. H. Zapf, der 1975 mit dem kommerziellen Möbelschleppen begann und nichts mehr von seinem Jura-Studium wissen wollte. Der Rudi-Dutschke-Freund wollte lieber konkret seine Vorstellung vom selbstbestimmten Leben mit anderen verwirklichen. Die Weltkugel im Logo von Zapf hatte er sich damals von der Tageszeitung »Tagesspiegel« »geliehen« und deren Wahlspruch »Rerum cognoscere causas« im Firmenschild mit »Mens agitat molem« ersetzt. Das bedeutet: »Der Geist bewegt die Masse.« Schade, dass er irgendwann auf diesen Spruch verzichtete. Wer das neue Großraumbüro an der Nobelstraße 66 betritt, spürt wenig Hierarchie. Auf so manchem Tisch - im neuen Hochlager neben dem Verbandskasten - hängen oder stehen bis heute Fotografien von Klaus E. H. Zapf.

»Richtige Profis wurden wir eigentlich erst, als wir nach der Wende viele Mitarbeiter der DDR-Spedition Auto Trans einstellten«, weiß Joachim Dulitz noch, der etwa 1976 als junger Kerl dann doch nicht Polizist werden wollte, lieber Kohlen schleppte und bei Zapfs Truppe anheuerte. Erst die Chancen der 90er Jahre und die Menschen hätten Zapf Umzüge zu einem Unternehmen mit vielen Standorten gemacht.

Nah- und Fernumzüge, auch ganzer Unternehmen, gehören jetzt zu seinen Angeboten. Der Umstieg vom reinen Lkw-Transport von A nach B auf ein kostengünstigeres Containersystem im Fernverkehr gehört zu den Innovationen des Hauses.

Ausbildung und Weiterbildung werden an der Nobelstraße 66 groß geschrieben. Es war Klaus E. H. Zapf, der den immer noch neuen Beruf der Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice (FMKU) miterfand, um seinen Leuten Sinn für Qualität zu vermitteln und folglich bessere Jobchancen als Absolventen einer dreijährigen Berufsausbildung. Zapf Umzüge ist selbst auf der Suche nach solchem Personal. Der FMKU-Abschluss gilt heute bundesweit.

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