»Das Schulessen ist zu billig«

Ein Besuch in einer Großküche und in einer Bildungsstätte in Potsdam

Um 6.30 Uhr ist Dienstbeginn in der Großküche der Blauart GmbH an der Neuendorfer Straße in Potsdam. Gegen 9.15 Uhr sind 4000 Mittagsmahlzeiten für 15 verschiedene Schulen und 1000 Portionen für Kitas bereits fertig. Ein Koch füllt Kartoffeln um, in einer Ecke brutzelt noch Fleisch. Gleich wird das Essen ausgefahren. Am Dienstag sind Verbraucherschutzstaatssekretärin Anne Quart und Bildungsstaatssekretär Thomas Drescher gekommen, um sich an einem Beispiel vor Ort über die Qualität der Schulverpflegung im Land Brandenburg zu informieren.

Die Zutaten sind zu 30 Prozent »Bio« und werden möglichst aus der Region bezogen, erläutert Geschäftsführer Ralf Blauert. Denn je weiter die Bauern entfernt sind, um so schwerer sei nachzuvollziehen, ob sie wirklich ökologisch anbauen. Staatssekretärin Quart kostet gut zweieinhalb Stunden später - gemeinsam mit Kindern in der Eisenhardt-Grundschule: Die Nudeln mit Tomaten-Mozarella-Soße schmecken hervorragend. Die Qualität hat aber auch ihren Preis. 3,25 Euro verlangt die Blauart GmbH pro Essen von Grundschülern, 3,63 Euro von Oberschülern. »Es war nie mein Ehrgeiz, Essen für 1,90 Euro anzubieten«, erklärt der Firmenchef. Er freut sich, dass seine Kunden mit seiner Philosophie einverstanden sind und dass ihm etliche Schulen schon seit zehn oder 15 Jahren die Treue halten.

Staatssekretär Drescher kennt Eltern, die um zehn Cent feilschten und nach einem halben Jahr zu der Einsicht gelangten, dass sie dies lieber nicht getan hätten, weil das Essen dann einfach nicht gut war. »Das Essen in der Schule soll gut schmecken, gesund und bezahlbar sein«, formuliert Drescher den Anspruch. »Im besten Falle lernen Kinder dabei etwas über ausgewogene Ernährung, gesunde Lebensmittel und deren schonende Zubereitung.«

Staatssekretärin Quart spricht von der Verantwortung dafür, »dass leckeres Essen in hoher Qualität auf den Tisch kommt«. Für arme Familien gibt es die Möglichkeit, das Schulessen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes zu subventionieren, so dass die Eltern nur einen Euro pro Mahlzeit bezahlen müssen. Die Stadt Potsdam lässt die Kinder bei besonderen Härtefällen sogar kostenlos essen.

Trotzdem gebe es ein oder zwei Fälle im Monat, wo Kinder an der Essensausgabe vor den Klassenkameraden weggeschickt werden müssen, weil eine Unterschrift von der Mutter oder vom Sozialamt fehlt, beklagt Blauert. Das ist eine beschämende Situation, die er eigentlich vermeiden möchte. Lieber werde ein Auge zugedrückt, sagt er.

Ein gutes und gesundes Essen sei für weniger als 3,25 Euro nicht zu haben, weiß Uwe Klett (LINKE) aus seiner Zeit als Bürgermeister in Fredersdorf-Vogelsdorf. Das Schulessen in Brandenburg sei in der Regel zu billig und zu schlecht, bedauert er. Nach Kletts Ansicht müssten die Mahlzeiten komplett aus Steuern finanziert werden und für die Eltern kostenlos sein - so wie in Schweden.

Gesunde Ernährung ist am Dienstag für eine 4. Klasse der Eisenhardt-Schule gerade das Thema einer Stunde im Sachkundeunterricht. Munter schnippeln die 20 Jungen und Mädchen Gemüse und arrangieren einen Frühstücksteller. Die neunjährige Mathilda hat sich ein Brot mit Käse, Möhren, Radieschen und Rucolasalat zusammengestellt. Auch ihre Tischnachbarn haben ihre Teller schön angerichtet, aus Gemüse Gesichter auf das Brot gelegt. Es sieht prima aus. Aber der kleine Vincent bekennt: »Ich hasse es, das zu essen.« Immerhin zögert Lotta nicht und steckt sich gleich eine Tomate in den Mund. »Richtig machst Du das«, lobt Lehrerin Brigitte Bednarek-Belß. »Aber lass noch etwas auf dem Teller für ein Foto«, sagt sie.

Ab 11.30 Uhr gibt es Mittagessen. Zur Auswahl stehen Fischfrikadelle mit Kräutersoße und Biokartoffeln, eine Salatbox oder die schon erwähnten Nudeln. Da hat die neunjährige Mathilda Glück, denn Nudeln sind ihr Leibgericht. Die Essensfrauen arbeiten schon ein paar Jahre in der Eisenhardt-Schule und kennen die Vorlieben. Darum haben sie für heute mehr Nudeln als Frikadellen bestellt. In der Regel erfüllt sich die Vorahnung und alle Kinder bekommen, was sie sich wünschen. Seite 9

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