Mozarts Tod
Eine Farce aus über 150 Thesen
König Ludwig II., der in seinen letzten Jahren Suppen mit den Händen gegessen hat, will ein zweites Mal in den Starnberger See, Elvis Presley sucht verzweifelt nach seinen außerirdischen Freunden, Jim Morrisson bittet die Erzengel um einen kleinen Schuss und sogar Hitler beißt in den Teppich und strampelt mit allen Vieren. Aber Mozart übertrifft sie alle. In seinen besten Zeiten war er nicht nur ein Großverdiener - mit einem geschätzten Jahreseinkommen von umgerechnet 350 000 Euro -, er war auch noch im Sterben der Allergrößte. Über 150 Theorien und mehr als zwei Millionen Internetseiten handeln von seinem Tod. Danach war der knapp 36-Jährige widerstandsfähiger als 17 Katzen. Die Palette reicht vom wurmigen Schweinskotelett, das er 44 Tage vor seinem Tod genossen hatte, bis zum übertriebenen Aderlass, bei dem er zwei bis drei Liter Blut verlor, was einen plötzlichen Schwächetod zur Folge hatte.
Skrupellos ermordet
Aber beginnen wir mit den Freunden der Kriminalistik. Wenn es nach ihnen geht, haben sich mehrere echte Tragödien im Hause Mozart abgespielt. So sollen ein Schüler Mozarts und seine Frau Constanze den Komponisten ermordet haben. Für diese Skrupellosigkeit griffen sie zu Aqua Toffana, einer Mischung der Sizilianerin Teofinia di Adamo aus weißem Arsenik, Antimon und Blei. Im Fieberwahn soll Mozart geflüstert haben: »Ich weiß, dass ich sterben muss, jemand hat mir Aqua Toffana eingegeben und hat den Tag meines Todes genau vorher berechnet - und dafür haben sie ein Requiem bestellt - ich schreibe es für mich selbst« (Mary u. Vincent Novello, Reisetagebücher 1829). Als ausgleichende Gerechtigkeit starb Franz Xaver Süssmayr, der übrigens tatsächlich mit Constanze eine Affäre gehabt und der Familie ein Kuckucksei in die Wiege gelegt hatte, das interessanterweise Franz Xaver Wolfgang genannt wurde, mit 37 Jahren. Immerhin brachte der Hausfreund Mozarts Requiem zum guten Ende.
Noch folgenschwerer trug Antonio Salieri an seinem Mörder-Schicksal. Der damals erfolgreiche Komponist, der mit 40 Opern zur europäischen Spitze gehörte und zum Wiener Hofkapellmeister aufstieg, soll den angeblichen Rivalen aus Neid zu Grunde gerichtet haben. Hollywood ist sich sicher, dass er das arme Wolferl durch die Bestellung des Requiems psychisch und pyhsisch kaputtgemacht hat.
Doch auch andere eifersüchtige Gesellen haben sich an dem Götterjüngling versündigt. So Franz Hofdemel, ein Logenbruder, der drei Fliegen mit einer Klappe schlug. Nachdem er mit Mozart fertig war, ging er am 6. Dezember 1791 mit einem Rasiermesser auf seine schwangere Frau Magdalena los, um sich daraufhin selbst zu meucheln. Auch dies ein Liebesmord, denn Mozart legte sich - dies ist wirklich passiert - mit der 21-Jährigen, nachdem er sie unterrichtet hatte, gerne ein wenig schlafen. Magdalena ist die Leidtragende des Massakers. Sie überlebte, doch so verunstaltet, dass sie fortan von der Kaiserin eine lebenslange Rente erhielt. Dem nicht genug, führte sich ein gewisser Franz Graf von Walsegg-Stuppach als Genius-Mörder auf. Verbürgt ist, dass der untalentierte Stümper Mozarts Requiem als eigene Komposition ausgeben wollte; aus Angst vor Entdeckung musste er sich des rechtmäßigen Urhebers entledigen.
Freilich dürfen keine Geheimgeschichten ohne die Freimaurer über die Bühne gehen. Neben der gesamten Weltverschwörung, dem Untergang von Atlantis und dem schlechten Abschneiden des 1. FC Nürnberg in den vergangen dreißig Jahren sind die Geheimbündler auch für Mozarts Tod mitverantwortlich. Diesmal veranstalteten sie keine skurrilen Ritualmorde - sie gaben ihrem Opfer eine Überdosis an Quecksilber. Das Motiv? Mozart soll den Fehler begangen haben, 18 geheime Rituale in seiner Zauberflöte zu verraten; aus diesem Grund starb er übrigens 1791, da die Quersumme (1 + 7 + 9 +1) 18 ergibt. Weshalb die finsteren Gesellen Theaterdirektor Schikaneder und Hauptlibrettist Giesecke davonkommen ließen, kann nach so vielen Jahren nicht mehr geklärt werden.
Weniger ausgefuchst, doch ebenso vielseitig sind die posthumen Diagnosen der Ärzteschaft. So litt Mozart anscheinend gleichzeitig an akutem Gelenkrheumatismus, Niereninsuffizienz, hitzigem Frieselfieber, einer Gefäßmissbildung und der Syphilis. Ferner wurden ihm von heutigen Medizinern Schilddrüsenüberfunktion, Typhus, Epilepsie, Lungenentzündung, Blutvergiftung durch Eitererreger, eine Herzerkrankung, eine Hirnhautentzündung und Tuberkulose diagnostiziert. Eine Fachzeitschrift für Musik in Speyer meldete überdies, Mozart sei an der Wassersucht gestorben. Der Mann muss die Kraft von zehn Ochsen besessen haben, um überhaupt 35 Jahre alt zu werden!
So verwundert es nicht, dass er sich selbst medizinierte. Mit mindestens 22 Arzneien und Brechmitteln war Mozart von Kind an vertraut, da die Haus- und Reiseapotheke seines Vaters gut bestückt war. Vor allem im Fall der »französischen Krankheit« könnte sich der Ehesünder Quecksilber verabreicht haben. Das damals einzig wirksame Mittel gegen die Lustseuche muss Mozart von seinem Mäzen Baron Gottfried van Swieten erhalten haben, dessen Vater, ein angesehener Mediziner, auf solche Fälle spezialisiert war. Leider gab der Freund eine zu hohe Dosis, die Wolfgang das Leben kostete. Gestärkt wird die These durch ein Haar (wo auch immer es herstammt), in dem die Universität von Wien ums Zehnfache erhöhte Quecksilberrückstände vorfand - und durch Herrn van Swieten selbst, da er noch am Tage von Mozarts Tod sämtlicher Hofämter enthoben wurde. Für die Uni Graz ist allerdings eher Arsen der Übeltäter, welches in einer Partitur der »Zauberflöte« gefunden wurde.
Nicht mal ein Holzkreuz
Tatsächlich gibt es unzählige Ungereimtheiten nach Mozarts Tod. Weshalb erhielt der angesehene Musiker, der jede Menge Gönner hatte, nur ein Begräbnis dritter Klasse? Weshalb betrat Constanze erst nach 17 Jahren den Friedhof St. Marx, wo sie nicht einmal ein billiges Holzkreuz errichtet hatte, und weshalb hat sie bis zu ihrem Tod über das Ableben ihres Mannes geschwiegen? Wieso gibt es keine Aufzeichnungen darüber, wer den Leichenzug begleitet hat, der angeblich wegen schlechten Wetters abgesagt werden musste, obgleich die Hohe Warte in Wien, ein Institut zur unabhängigen meteorologischen Aufzeichnung, ruhiges Frühwinterwetter bestätigte? Weshalb lieferten die behandelnden Ärzte Thomas Franz Closset und Mathias Edler von Salaba, Spezialisten für Venerologie, den Todkranken nicht ins Hauptspital und unterschrieben die Verlegenheitsdiagnose »Frieselfieber«? Weshalb wurde sein Tod von den Freimaurern bis nach der Bestattung geheimgehalten? Ja, weshalb wird Mozart wie dem armen Werther die kirchliche Seelsorge entzogen, obgleich er als Organist für die Kirche tätig war? Und wie ist die Abwehrhaltung der Stadt Wien bei der Klärung der Todesumstände zu verstehen?
»Nicht ein einziges der als faktisch unvermeidlich und damit unwiderleglich hingestellten und als Tatsachen vermuteten und dargestellten Ereignisse kann belegt werden«, schreibt der Mozart-Forscher Helmut Perl.
Vielleicht ging der Komponist aber auch einfach den Weg vieler Künstler und starb, wie es Arno Schmidt im Fall Schiller formulierte, als »eine an beiden Enden angezündete Kerze«. Noch schöner drückt es E. W. Heine in seiner Erzählung »Wer ermordete Mozart?« aus: »Für schuldig befunden«, heißt es dort, »wird das Opfer, Wolfgang Amadeus Mozart, der mit faustischer Intensität an seinem eigenen Requiem arbeitet und so sehr von einem ...
Skrupellos ermordet
Aber beginnen wir mit den Freunden der Kriminalistik. Wenn es nach ihnen geht, haben sich mehrere echte Tragödien im Hause Mozart abgespielt. So sollen ein Schüler Mozarts und seine Frau Constanze den Komponisten ermordet haben. Für diese Skrupellosigkeit griffen sie zu Aqua Toffana, einer Mischung der Sizilianerin Teofinia di Adamo aus weißem Arsenik, Antimon und Blei. Im Fieberwahn soll Mozart geflüstert haben: »Ich weiß, dass ich sterben muss, jemand hat mir Aqua Toffana eingegeben und hat den Tag meines Todes genau vorher berechnet - und dafür haben sie ein Requiem bestellt - ich schreibe es für mich selbst« (Mary u. Vincent Novello, Reisetagebücher 1829). Als ausgleichende Gerechtigkeit starb Franz Xaver Süssmayr, der übrigens tatsächlich mit Constanze eine Affäre gehabt und der Familie ein Kuckucksei in die Wiege gelegt hatte, das interessanterweise Franz Xaver Wolfgang genannt wurde, mit 37 Jahren. Immerhin brachte der Hausfreund Mozarts Requiem zum guten Ende.
Noch folgenschwerer trug Antonio Salieri an seinem Mörder-Schicksal. Der damals erfolgreiche Komponist, der mit 40 Opern zur europäischen Spitze gehörte und zum Wiener Hofkapellmeister aufstieg, soll den angeblichen Rivalen aus Neid zu Grunde gerichtet haben. Hollywood ist sich sicher, dass er das arme Wolferl durch die Bestellung des Requiems psychisch und pyhsisch kaputtgemacht hat.
Doch auch andere eifersüchtige Gesellen haben sich an dem Götterjüngling versündigt. So Franz Hofdemel, ein Logenbruder, der drei Fliegen mit einer Klappe schlug. Nachdem er mit Mozart fertig war, ging er am 6. Dezember 1791 mit einem Rasiermesser auf seine schwangere Frau Magdalena los, um sich daraufhin selbst zu meucheln. Auch dies ein Liebesmord, denn Mozart legte sich - dies ist wirklich passiert - mit der 21-Jährigen, nachdem er sie unterrichtet hatte, gerne ein wenig schlafen. Magdalena ist die Leidtragende des Massakers. Sie überlebte, doch so verunstaltet, dass sie fortan von der Kaiserin eine lebenslange Rente erhielt. Dem nicht genug, führte sich ein gewisser Franz Graf von Walsegg-Stuppach als Genius-Mörder auf. Verbürgt ist, dass der untalentierte Stümper Mozarts Requiem als eigene Komposition ausgeben wollte; aus Angst vor Entdeckung musste er sich des rechtmäßigen Urhebers entledigen.
Freilich dürfen keine Geheimgeschichten ohne die Freimaurer über die Bühne gehen. Neben der gesamten Weltverschwörung, dem Untergang von Atlantis und dem schlechten Abschneiden des 1. FC Nürnberg in den vergangen dreißig Jahren sind die Geheimbündler auch für Mozarts Tod mitverantwortlich. Diesmal veranstalteten sie keine skurrilen Ritualmorde - sie gaben ihrem Opfer eine Überdosis an Quecksilber. Das Motiv? Mozart soll den Fehler begangen haben, 18 geheime Rituale in seiner Zauberflöte zu verraten; aus diesem Grund starb er übrigens 1791, da die Quersumme (1 + 7 + 9 +1) 18 ergibt. Weshalb die finsteren Gesellen Theaterdirektor Schikaneder und Hauptlibrettist Giesecke davonkommen ließen, kann nach so vielen Jahren nicht mehr geklärt werden.
Weniger ausgefuchst, doch ebenso vielseitig sind die posthumen Diagnosen der Ärzteschaft. So litt Mozart anscheinend gleichzeitig an akutem Gelenkrheumatismus, Niereninsuffizienz, hitzigem Frieselfieber, einer Gefäßmissbildung und der Syphilis. Ferner wurden ihm von heutigen Medizinern Schilddrüsenüberfunktion, Typhus, Epilepsie, Lungenentzündung, Blutvergiftung durch Eitererreger, eine Herzerkrankung, eine Hirnhautentzündung und Tuberkulose diagnostiziert. Eine Fachzeitschrift für Musik in Speyer meldete überdies, Mozart sei an der Wassersucht gestorben. Der Mann muss die Kraft von zehn Ochsen besessen haben, um überhaupt 35 Jahre alt zu werden!
So verwundert es nicht, dass er sich selbst medizinierte. Mit mindestens 22 Arzneien und Brechmitteln war Mozart von Kind an vertraut, da die Haus- und Reiseapotheke seines Vaters gut bestückt war. Vor allem im Fall der »französischen Krankheit« könnte sich der Ehesünder Quecksilber verabreicht haben. Das damals einzig wirksame Mittel gegen die Lustseuche muss Mozart von seinem Mäzen Baron Gottfried van Swieten erhalten haben, dessen Vater, ein angesehener Mediziner, auf solche Fälle spezialisiert war. Leider gab der Freund eine zu hohe Dosis, die Wolfgang das Leben kostete. Gestärkt wird die These durch ein Haar (wo auch immer es herstammt), in dem die Universität von Wien ums Zehnfache erhöhte Quecksilberrückstände vorfand - und durch Herrn van Swieten selbst, da er noch am Tage von Mozarts Tod sämtlicher Hofämter enthoben wurde. Für die Uni Graz ist allerdings eher Arsen der Übeltäter, welches in einer Partitur der »Zauberflöte« gefunden wurde.
Nicht mal ein Holzkreuz
Tatsächlich gibt es unzählige Ungereimtheiten nach Mozarts Tod. Weshalb erhielt der angesehene Musiker, der jede Menge Gönner hatte, nur ein Begräbnis dritter Klasse? Weshalb betrat Constanze erst nach 17 Jahren den Friedhof St. Marx, wo sie nicht einmal ein billiges Holzkreuz errichtet hatte, und weshalb hat sie bis zu ihrem Tod über das Ableben ihres Mannes geschwiegen? Wieso gibt es keine Aufzeichnungen darüber, wer den Leichenzug begleitet hat, der angeblich wegen schlechten Wetters abgesagt werden musste, obgleich die Hohe Warte in Wien, ein Institut zur unabhängigen meteorologischen Aufzeichnung, ruhiges Frühwinterwetter bestätigte? Weshalb lieferten die behandelnden Ärzte Thomas Franz Closset und Mathias Edler von Salaba, Spezialisten für Venerologie, den Todkranken nicht ins Hauptspital und unterschrieben die Verlegenheitsdiagnose »Frieselfieber«? Weshalb wurde sein Tod von den Freimaurern bis nach der Bestattung geheimgehalten? Ja, weshalb wird Mozart wie dem armen Werther die kirchliche Seelsorge entzogen, obgleich er als Organist für die Kirche tätig war? Und wie ist die Abwehrhaltung der Stadt Wien bei der Klärung der Todesumstände zu verstehen?
»Nicht ein einziges der als faktisch unvermeidlich und damit unwiderleglich hingestellten und als Tatsachen vermuteten und dargestellten Ereignisse kann belegt werden«, schreibt der Mozart-Forscher Helmut Perl.
Vielleicht ging der Komponist aber auch einfach den Weg vieler Künstler und starb, wie es Arno Schmidt im Fall Schiller formulierte, als »eine an beiden Enden angezündete Kerze«. Noch schöner drückt es E. W. Heine in seiner Erzählung »Wer ermordete Mozart?« aus: »Für schuldig befunden«, heißt es dort, »wird das Opfer, Wolfgang Amadeus Mozart, der mit faustischer Intensität an seinem eigenen Requiem arbeitet und so sehr von einem ...
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