Über eine Landkarte gebeugt

Opposition und Oberbürgermeister kritisieren Entwurf für Neuzuschnitt der Landkreise

»Das kann ich mir bildlich gut vorstellen. Über eine Landkarte gebeugt ziehen die rot-roten Strategen die Kreisgrenzen neu. Da ist ihnen bestimmt einer abgegangen«, schimpft der Landtagsabgeordnete Péter Vida (Freie Wähler).

Am Mittwoch haben Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und Finanzminister Christian Görke (LINKE) ihre Vorzugsvariante für den geplanten Neuzuschnitt der Landkreise vorgestellt. Damit ist unter den vielen Karten, die seit Jahren kursieren, nun eine ausgewählt.

Die Kreisgebietsreform ist an sich schon umstritten. Nun hagelt es erwartungsgemäß Kritik an dem konkreten Vorschlag. Mit dem riesigen Lausitzkreis im Süden des Landes würde der flächenmäßig zweitgrößte Landkreis Deutschlands entstehen, bemerkt Vida. Rot-Rot habe versprochen, nicht die selben Fehler zu begehen wie Mecklenburg-Vorpommern bei seiner Kreisgebietsreform, tue es nun aber trotzdem. Mecklenburg-Vorpommern hatte 2011 die Zahl seiner Landkreise auf sechs riesige Gebiete und die zwei kreisfreien Städte Schwerin und Rostock reduziert. Brandenburg will nun von 18 auf neun Landkreise heruntergehen und von vier kreisfreien Städten auf nur noch eine, nämlich Potsdam.

Durch die Kreisgebietsreform soll auf sinkende Einwohnerzahlen reagiert werden. Es soll gesichert sein, dass auch in Zukunft die Finanzierung und Organisation leistungsfähiger Kreisverwaltungen gesichert ist. Der Abgeordnete Vida rügt jedoch, dass sich die künftigen Landkreise bei der Bevölkerung und der Ausdehnung noch mehr voneinander unterscheiden werden als bereits jetzt.

Die Oberbürgermeisterin von Brandenburg/Havel, Dietlind Tiemann (CDU), erinnert an das Versprechen, keinen Landkreis zu zerschneiden. Für die Angliederung ihrer Kommune an das Havelland müsse nun aber ein Stück von Potsdam-Mittelmark abgetrennt werden. Der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), Martin Wilke (parteilos), spricht von »Ignoranz und Bürgerferne«, die nicht zu überbieten sei, und von »Schnittmustern ohne Kalkulation«. Der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) nannte die Pläne der rot-roten Koalition eine »Kampfansage an die Bürgerschaft«. Die Oberbürgermeister wollen ein Volksbegehren gegen die Kreisgebietsreform unterstützen, das die CDU im November starten möchte. »Die 20 000 Unterschriften kriegen wir locker bis Weihnachten zusammen«, denkt Tiemann. Notfalls wollen die Oberbürgermeister vor das Landesverfassungsgericht ziehen.

»Es ist schon erstaunlich, mit welcher Arroganz die Landesregierung mittlerweile ihr Lieblingsprojekt durchpeitscht«, sagt der Landtagsabgeordnete Steffen Königer (AfD). Bei der Fundamentalopposition machen nur die Grünen nicht mit. Sie haben für sich die prinzipielle Notwendigkeit einer Kreisgebietsreform erkannt. »Nimmt man die Kriterien des Leitbilds zur Kommunalreform ernst, gibt es nur eine beschränkte Zahl von Möglichkeiten, die Kreise neu zu gliedern«, gesteht die Landtagsabgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne). Der Vorschlag der Minister Schröter und Görke sei eine der Möglichkeiten. Ihre Fraktion habe »nie Präferenzen formuliert«, erklärt Nonnemacher. Man werde Vor- und Nachteile des Vorschlags der beiden Minister in Ruhe abwägen. »Ich persönlich halte es für richtig, die bislang kreisfreie Stadt Brandenburg/Havel mit dem Havelland zu vereinigen«, fügt Nonnemacher hinzu. »Dies legen nicht nur die Einwohnerzahlen nahe, zwischen beiden gibt es auch gute gewachsene Beziehungen.«

Selbst was den umstrittenen riesigen Südkreis betrifft, sieht Ursula Nonnemacher gute Gründe, die dafür sprechen. So gibt es die Überlegung, dass sich in einer geeinten Niederlausitz der Strukturwandel mit dem absehbaren Ende der Braunkohletagebaue besser gestalten lasse. Nach »nd«-Informationen hat sich die LINKE dafür stark gemacht, Elbe-Elster zum Südkreis zu geben, anstatt dieses Gebiet mit Teltow-Fläming zu vereinigen.

Nonnemacher meint allerdings, es gebe auch andere Optionen. Ihr gefällt nach wie vor der Gedanke, möglichst viele Landkreise zu haben, die an die Bundeshauptstadt grenzen und damit etwas vom Berliner Speckgürtel haben. Dem trage der vorliegende Entwurf leider keine Rechnung.

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