Für die CDU ist ein Veggie-Schnitzel kein Schnitzel

Union und Fleischlobby stören sich an den Bezeichnungen für pflanzliche Fleischalternativen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Fleischfreier Braten, vegane Schnitzel, vegetarischer Wurstsalat: Im Supermarkt sind Fleischalternativen auf der Basis von Weizeneiweiß und Soja inzwischen fester Bestandteil im Sortiment. Der Union liegt der Trend zur fleischfreien Ernährung schwer im Magen. Aus der CSU-Landesgruppe im Bundestag hieß es am Sonntag, der «Etikettenschwindel bei veggie und vegan» müsse gestoppt werden. Konkret stören sich die Christsozialen an Produkten mit Namen wie «Veggie-Rindersteak» oder «veganer Schinken». Diese würden beim Verbraucher «falsche Erwartungen» wecken, befürchtet deren ernährungspolitische Expertin, Marlene Mortler. Sie meint, «wenn etwas ›Steak‹ oder ›Schinken‹ heißt, wird man es auch für Steak oder Schinken halten - für Fleisch also.» Demzufolge gibt es laut CSU Verbraucher, die etwa zu einem vegetarischen Schnitzel greifen, dabei allerdings nicht auf die Idee kämen, dass das Lebensmittel gar kein Schwein, Rind oder Huhn enthält.

Schwer mit dem Veggie-Boom tut sich auch die CDU, deren niedersächsischer Landesverband im Oktober der echten wie vermeintlichen Verbrauchertäuschung den Kampf ansagte: «Die Leute sollen essen, was sie wollen. Sie sollen aber wissen, was sie essen», erklärte der Verbraucherschutzsprecher Frank Oesterhelweg nach einem Beschluss seiner Partei, eine parlamentarische Initiative zum Verbot von Fleischbezeichnungen bei vegetarischen Produkten anzuschieben.

Wer isst was?

Gar kein Tier

Weder Fleisch, noch Eier, Milchprodukte, Honig und sämtliche anderen Produkte, die von einem Tier stammen, stehen auf dem Speiseplan von Menschen, die sich vegan ernähren. Entscheidet sich jemand nicht nur aus gesundheitlichen Gründen dafür, auf tierisches zu verzichten, umfassen die No-Gos meist weitergehende Alltagsgegenstände, etwa Kleidung, die entsprechend Leder enthält oder die Wolle von Schafen. Selbst Kondome sind nicht immer vegan.

Kein Fleisch

»Ich esse nichts, was Augen besitzt«, ließe sich vereinfacht ausdrücken, was unter einem Vegetarier verstanden wird. Bei dieser Ernährungsweise wird auf Fleisch verzichtet, nicht aber zwangsläufig auf Produkte, die von einem lebenden Tier stammen. Allerdings verzichten manche Vegetarier auf einzelne Produkte, essen also etwa keinen Käse, dafür aber Eier. In Indien ist diese Ernährung weit verbreitet. Zwischen 30 bis 40 Prozent der dortigen Bevölkerung ernähren sich vegetarisch.

Flexibel sein

2003 kürten Sprachschützer der American Dialect Society den Flexitarier zum nützlichsten Wort des Jahres, das »am nötigsten eine Lücke im Wortschatz« fülle. Letztlich ist der Begriff für jene gedacht, die für die Phrase »Ich esse nur noch ganz selten Fleisch«, eine Verpackung brauchten. Wie oft ein Flexitarier Fleisch oder Käse isst, ist nicht definiert. Deshalb sind besonders Biomärkte scharf auf diese Zielgruppe, weil sie sich gut mit der Leerformel »bewusste Ernährung« kombinieren lässt.

Fisch ist okay

Ein Pescetarier rührt kein Huhn, Schwein und Rind an, sagt zu Fisch und Meeresfrüchten aber nicht Nein. Eine Wurzel dieser Ernährungsform liegt im Christentum. Streng Gläubige fasten in Erinnerung an Jesu Tod freitags, essen dabei keine Landtiere, wohl aber Fisch, der nicht als »richtiges« Fleisch betrachtet wird. Biologen gingen lange davon aus, Fische würden gar keine oder wenig Schmerzen empfinden. Inzwischen wissen wir: Das ist Unsinn. rdm

Wenig überraschend stößt die Union mit solchen Forderungen beim Deutschen Fleischer-Verband (DFV) auf Gegenliebe. Bereits im Frühjahr hatte die Lobbyorganisation zusammen mit dem Deutschen Bauernverband eine Änderung der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse ins Spiel gebracht. Ziel ist es, dass vegetarische und vegane Produkte «nicht die Verkehrsbezeichnungen verwendet dürfen, die für traditionelle Fleischerzeugnisse üblich sind.» DFV-Vizepräsident Konrad Ammon verstieg sich im November sogar zu der Aussage, er verstehe nicht, warum es keinen Aufschrei gibt, «wie damals beim Analogkäse-Skandal» im Jahr 2009. Während man auf den Verpackungen für Tiefkühlpizza und Co. allerdings den Hinweis auf ein Imitat vergeblich suchte, werben Hersteller von vegetarischen oder veganen Alternativen gezielt mit der Fleischfreiheit.

Beim Vegetarierbund (Vebu) versteht man die Aufregung indes nicht. «Seit Jahrzehnten verwenden Hersteller Begriffe wie ›Wurst‹ oder ›Schnitzel‹ auch für fleischfreie Produkte. Gerichte bestätigten immer wieder die Zulässigkeit», erklärt der Vebu in einer Stellungnahme. Auch aus den Reihen der SPD will man das Argument der Verbrauchertäuschung nicht gelten lassen. Derzeit gibt es «keine Hinweise auf Missverständnisse», sagt die SPD-Landwirtschaftsexpertin Elvira Drobinski-Weiß.

Auf Wohlwollen stößt ein von Union und SPD am Freitag beschlossener Antrag, sich für eine europaweit rechtsverbindliche Kennzeichnung vegetarischer und veganer Lebensmittel einzusetzen. Keine Chance hatte aber die Union mit ihrer Forderung nach einem Verbot von Bezeichnungen wie Veggie-Wurst. Im gemeinsamen Antrag heißt es nun, in Fällen, wo «Produktbezeichnungen oder Produktzusammensetzungen den Verbrauchererwartungen nicht entsprechen», müsse die Lebensmittelbuchkommission tätig werden. Das Gremium legt Leitsätze fest, wie ein Produkt beschaffen sein muss, um einen bestimmten Namen tragen zu dürfen. Ein Brot muss etwa Getreide enthalten, um sich so nennen zu dürfen. Dass die Veggie-Wurst kein Fleisch enthält, dürfte dagegen klar sein.

Weniger klar ist dagegen, was der einzelne Lebensmittelhersteller unter «vegan» und vegetarisch« versteht. Dadurch besteht oft Unsicherheit, weil etwa Hilfsstoffe, die bei der Verabreitung eines Produktes notwendig, am Ende darin aber nicht mehr enthalten sind, derzeit nicht deklariert werden müssen. Häufig betroffen sind beispielsweise Fruchtsäfte oder Wein, die auch mittels tierischer Gelatine geklärt sein könnten. Ein entsprechendes Label gibt der Vebu zwar in Zusammenarbeit mit der European Vegetarian Union heraus, doch die Zertifizierung ist für Unternehmen freiwillig. Eine Initiative der Bundesregierung für eine europaweit einheitliche Definition wird deshalb auch vom Vebu unterstützt.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal