Coffee to go - jetzt auch zum Mitnehmen

  • Andreas Gläser
  • Lesedauer: 3 Min.

Ich habe endlich Kirsten Fuchs’ Büchlein aus dem Jahre 2006 gelesen: »Zieh dir das mal an! Über Kleider und andere Sachen«. Im Kapitel A geht es um Absätze, in Z um Zwillingsbekleidung; in C jedoch interessanterweise nicht um Cordhosen. Das fiel mir auf, da ich dieser Tage meine persönliche Cordhosenerinnerungszeit zelebriere.

Ich griff so nach und nach im Kleiderschrank nach den vorübergehend verschollenen Paaren. Bei Kirsten findet sich unter C das Kapitelchen »Chic«. Ich kann jetzt nicht sagen, ob sie die Cordhosen bei U unter dem Stichwort »unchic« versteckte; ihr Vorwort findet sich zumindest unter V, zwischen U wie Uniform und W wie Waschmaschine.

Meine Cords sitzen besser als manche Jeans, sie sind weder ausgebleicht, noch haben sie blöde Löcher. Außerdem gilt: die meisten Klamotten sind sexy, wenn man sie passend kauft und sich nicht mit dem vermeintlichen Hereinwachsen verkalkuliert.

Doch Cordhosen sind vom Aussterben bedroht. Es erfordert Mut, so ein Beinkleid anzulegen. Schnell gilt man als ausgebeult. Für die Jeans dudelt Gevatter Rock ’n’ Roll seit einigen Jahrzehnten ein Werbeständchen. Dagegen ist es lange her, dass ein Typ wie Bobby Farrell mit Boney M. im weinroten Anzug einen Welthit wie »Daddy Cord« klarmachte.

Auch Frank Zander fiel überregional mit »Hier kommt Cord« auf. Das war während meiner Pubertät, als ich mit weißen Cordhosen von meinen Zensuren abzulenken verstand. »Krasse Fußbodenbeleuchtung«, sagte ein kapitulierender Mitschüler aus seinen dogmatisch-blauen Boxer-Jeans heraus.

Heutzutage müsste es für die gute alte Cord mal wieder eine Werbekampagne geben. Wer könnte vernünftige Losungen in die Welt setzen? Die Bäckereibetreiber in einer sächsischen Kleinstadt wissen zumindest, wie man die Kundschaft erreicht. Auf einem Plakat in ihrem Schaufenster steht: »Coffee to go - jetzt auch zum Mitnehmen!« Der vor ihrem Laden platzierte Stehtisch ist von Becher-Boys umringt. Ein Herr trägt einen Baumwollhose mit einem Schriftzug, bei dem es um Rock aus Tirol geht. Sozusagen rock to run.

Kirsten Fuchs wäre eine vertrauenswürdige und gute Kandidatin für Cord-Reklame. Ihre Bücher laufen erfolgreich. Der 2015 erschienene und inzwischen in die vierte Auflage gegangene Roman »Mädchenmeute« soll sogar verfilmt werden. Vielleicht legt sie in dem Streifen einen Kurzauftritt als Pädagogin in schnittigen Cords hin.

Ihre Mädchenmeute hätte bestimmt Verständnis für erzieherische Maßnahmen. Ich würde Kirsten ein weinrotes Paar Cordhosen besorgen, das habe ich mir für 2017 vorgenommen. Außerdem will ich zwei Romane schreiben und drei Instrumente erlernen. Jawoll, Silvester war schlimm. Zur Jahreswende muss man weniger quatschen und mehr knallen.

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