Warum? Immer? Ich?

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei uns funktioniert zur Zeit die Haustür nicht richtig. Das heißt, sie geht schon auf und zu, aber sie fällt nicht mehr automatisch ins Schloss. Per Rundmail hat ein Nachbar die Hausgemeinschaft über dieses Problem informiert. Das ist jetzt schon zwei Wochen her, passiert ist seitdem - nichts.

Nicht, dass es keine Lösung für das Problem gäbe, aber der, der sie kennt, hat offenbar einfach keine Lust, sich eine Leiter zu schnappen und die Türhydraulik neu zu justieren. Er denkt sich wahrscheinlich: »Warum immer ich, warum macht das nicht einmal ein anderer im Haus?« Und so steht die Tür immer wieder einen Spalt offen, wenn jemand vergessen hat, sie hinter sich zuzuziehen. Vermutlich tut sich erst etwas, wenn die Einbrecher, von denen es laut internem Kiez-Chat in letzter Zeit viele in der Gegend gibt, das Sicherheitsproblem gnadenlos für ihr verwerfliches Tun ausnutzen.

Mit dem Problem sind wir nicht allein. Auch im fälschlicherweise immer noch als Flughafen bezeichneten BER funktioniert nur eine von fünf Automatiktüren. Deshalb wurde der Eröffnungstermin des sogenannten Flughafens am Wochenende erneut verschoben. Auch die Sprinkleranlage soll nicht richtig funktionieren. In der Erklärung der Flughafenbetreibergesellschaft war von »ausstehenden hydraulischen Berechnungen« die Rede. Man habe seit 2012 viele neue Sprinklerköpfe eingebaut und jetzt sei es fraglich, ob der Druck in den Rohren noch ausreiche; im Ernstfall, also wenn es brennt, könnte es sein, dass es aus den Düsen nur tröpfelt.

Zum Glück sind die Handwerker und Ingenieure, die den BER bauen sollen, nicht für unser Haus zuständig. Wahrscheinlich würden sie zwar die Türhydraulik reparieren, aber hernach ließe sich die Tür nicht mehr öffnen und beim Drücken der Klingelknöpfe ginge die Sprinkleranlage im Haus los (die wir gar nicht haben).

Gut, wir könnten auch die Verwaltung unserer Genossenschaft informieren und einen Experten an die Sache lassen, aber richtige Männer tun so etwas nicht; wäre doch gelacht, wenn sich diese vermaledeite Tür nicht von uns selbst reparieren ließe.

Und so passiert seit Wochen - nichts. Jedenfalls nicht, bis ich mich wieder, wie all die Male zuvor, bequeme und die Leiter aus dem Keller hole. Alle hier im Haus warten nur darauf, dass ich das tue. Das sehe ich an ihren Blicken, die sie mir zuwerfen, wenn ich ihnen im Treppenhaus begegne. Gestern riss mir die Geduld. »Ja, sagte ich zu einer Nachbarin, ich weiß, die Tür schließt nicht, aber warum muss immer nur ich mich darum kümmern?«

Die Gute schaute mich verständnislos an. »Welche Tür?«, fragte sie. »Ich dachte, die hättest Du schon längst repariert.« »Ähm, ja«, stammelte ich geistesgegenwärtig. »Aber es stehen noch hydraulische Berechnungen aus.« Mit dieser Erklärung war sie zufrieden und zog von dannen. Vielleicht löst sich das Problem mit unserer Tür ja ganz von alleine - so wie beim BER.

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