Warnsignal vor Wundpflasterfabrik nicht beachtet

Opposition beantragt Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses zum altbekannten Betrugsfall Human Bioscience

»Das haben will alles schon zehn Mal durchgekaut«, stöhnt der Landtagsabgeordnete Matthias Loehr (LINKE). Nun soll über Human Bioscience (HBS) also ein elftes Mal gesprochen werden - am 8. Februar im Wirtschaftsausschuss des Landtags. CDU und Grüne haben eine Sondersitzung beantragt.

Der Anlass: Vera Fiebelkorn, Leiterin der EU-Prüfbehörde, hatte sich am Dienstag im Haushaltskontrollausschuss zu dem Fall geäußert. Der rbb, der in dieser Angelegenheit schon seit Jahren beharrlich nachforscht, meldete anschließend lapidar, Fiebelkorn habe die Recherchen des Senders bestätigt.

Die wesentlichen Fakten sind schon lange bekannt und völlig unstrittig: Die Human Biosciene GmbH wollte in Luckenwalde angeblich eine Fabrik zur Produktion spezieller Wundpflaster errichten. 6,5 Millionen Euro Fördermittel, 2012 von der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) überwiesen, gelangten über dunkle Kanäle ins Ausland. In Luckenwalde blieb eine Investitionsruine zurück. Die Geschäftsleute Michael M. und Manoi J. wurden wegen Subventionsbetrugs zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die ILB und das Wirtschaftsministerium ließen sich hereinlegen. Symptomatisch dafür ist die Tatsache, dass HBS angeblich 36 Gefriertrockner für die Fabrik anschaffte, aber nur zwei davon vorweisen konnte, noch dazu in zerlegtem Zustand. Auch lautet ein Vorwurf, die GmbH habe bei der Beantragung von Fördermitteln nur Kopien von Kontoauszügen vorgelegt, statt Originale einzureichen. Doch dazu bemerkt das Finanzministerium am Donnerstag: »Die Nachweisführung der tatsächlichen Ausgaben war hinreichend.«

Zugesagt wurden die Fördermittel bereits 2008, also noch in der Amtszeit von Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU). Als die ILB zwischenzeitlich misstrauisch wurde, beschwerte sich das Unternehmen 2012 beim neuen Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) über die Verzögerung der zweiten Tranche von 3,2 Millionen Euro. Der drängte dann - nach eigenem Bekunden nichtsahnend - bei seinen Untergebenen und bei der ILB auf eine Klärung. Daraufhin floss wieder Geld. 2014 wurde der Betrug ruchbar. Damals forderte die Opposition den Rücktritt des Wirtschaftsministers. Seit der Landtagswahl im selben Jahr hat er das Amt sowieso nicht mehr. Darum sind die Jungen Liberalen nun auf die Idee verfallen, Christoffers - inzwischen Linksfraktionschef - solle sein Landtagsmandat abgeben.

Christoffers stellt fest, es sei am Dienstag im Haushaltskontrollausschuss um einen Komplex gegangen, der bereits 2014 im Wirtschaftsausschuss behandelt wurde. Im Abstand von einigen Monaten mehr oder weniger wird er immer wieder mit dem Fall HBS konfrontiert. Ab und zu klären sich einige Details, etwas grundsätzlich Neues kam bislang nie heraus.

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagt nun, die Darstellung der rot-roten Regierung, »ohne eigene Versäumnisse zum Opfer gewiefter Betrüger geworden zu sein«, seien nach Fiebelkorns Ausführungen am Dienstag »nicht aufrecht zu erhalten«.

Für den Abgeordneten Dierk Homeyer (CDU) ist jetzt endgültig klar: »Bei der Förderung der HBS wurde gegen geltendes Recht verstoßen, das Geld hätte nie komplett ausgezahlt werden dürfen.« Für Homeyer ist »nicht nachvollziehbar, warum man im Wirtschaftsministerium und bei der ILB sämtliche Warnsignale ignoriert hat«. Der CDU-Politiker möchte vom nunmehrigen Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) wissen, »warum noch heute von der Landesregierung behauptet wird, dass alles korrekt verlaufen sei«.

Die AfD-Abgeordnete Christina Schade spricht von einem »Skandal ersten Ranges«. Bei jedem Handwerker werde streng bürokratisch nachgeprüft. »Aber bei derartig großen Summen scheinen die Kontrollmechanismen außer Kraft gesetzt zu sein.« Die ILB habe Vergabebestimmungen missachtet, das Wirtschaftsministerium dazu grünes Licht gegeben. Die Regierung habe dies verschleiern wollen und die Berichterstattung des rbb behindert, schimpft Schade. Der Sender musste Akteneinsicht vor Gericht erstreiten.

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