Rotwurst vor der Knie-Operation

Eisen aus Fleisch und tierischen Innereien kann der menschliche Darm besonders gut verarbeiten

  • Anke Nussbücker
  • Lesedauer: 5 Min.

Appetit auf frisch gebratene Leber, Fleisch oder gar Blutwurst? Gerade in Lebensphasen mit einem höheren Bedarf signalisiert der Körper durch Verlangen, Gelüste oder Appetit, dass er von bestimmten Nährstoffen mehr als gewöhnlich braucht.

So kennen allen voran Schwangere den Heißhunger auf rotes Fleisch vom Rind oder Schaf, in dem etwa doppelt so viel Eisen steckt wie in sogenanntem weißen Fleisch, das von Hühnern oder Puten stammt. Auch Kinder in bestimmten Wachstumsphasen, Leistungssportler, menstruierende Frauen oder Menschen, die während einer Operation größere Mengen Blut verloren haben, sowie Blutspender tun gut daran, ihre körpereigenen Eisenvorräte aufzufüllen. Am leichtesten gelingt dies mit frisch gekochtem Fleisch, Innereien wie Leber, Niere und Herz sowie Blutwurst, mancherorts auch als Rot- oder Schwarzwurst bezeichnet. Blutwurst galt früher als Arme-Leute-Essen. Heinrich Zille parodierte dies 1916 getreu einem alten Werbespruch: »Meine Wurst is juut, wo keen Fleesch is, da is Blut,…«

In den genannten tierischen Produkten liegt das Spurenelement Eisen als sogenanntes Häm-Eisen vor. Diese Form kann vom menschlichen Dünndarm am besten resorbiert werden. Das Eisen dient als Bestandteil des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin und des roten Muskelfarbstoffes Myoglobin dem Transport von Sauerstoff. Weiterhin ist Eisen Baustoff für zahlreiche Enzyme und wird zum Elektronentransfer benötigt.

Das wichtige Element Eisen wird von Person zu Person recht unterschiedlich verwertet. Generell können aber bestimmte Inhaltsstoffe von Speisen und Getränken die Verwertung verschlechtern. Dazu gehören zum Beispiel Phosphate in Backwaren oder in Wiener Würstchen. Aber auch Phosphorsäure in Cola oder Gerbstoffe in schwarzem Tee vermindern die Aufnahme von Eisen, wenn sie zeitgleich zur Hauptmahlzeit getrunken werden. Die Resorptionsrate liegt für Eisen aus Leber oder Fleisch bei circa 20 bis 35 Prozent. So können bereits 35 Gramm Blutwurst den Tagesbedarf eines Mannes von 10 Milligramm Eisen abdecken. Aus pflanzlichen Quellen vermag der Zwölffingerdarm nur zwischen 3 und 20 Prozent zu resorbieren. Die Kombination mit besonders Vitamin-C-reicher Rohkost sowie die Beigabe von Zitronensäure aus Zitrusfrüchten oder Beeren verbessern die Eisenresorption aus Müsli, Vollkorngetreide und gekochtem Gemüse. So mancher Vegetarier nutzt die Eisenabgabe aus einer gusseisernen Pfanne an die darin gebratenen Speisen.

Bei Gesunden unterliegt die Eisenresorption zudem einer homöostatischen Kontrolle: Bei Eisenmangel kann der Körper mehr Eisen verwerten. Bei einem Überschuss an Eisen drosselt er seine Eisenbindungskapazität. Diese homöostatische Kontrolle kann allerdings auch Störungen unterliegen oder wird durch dauerhaft überhöhte Eisenzufuhr in ihrer Wirksamkeit torpediert. Dazu muss man wissen: Eisen wird in der zivilisierten Welt nicht allein in seiner natürlichen Form aus pflanzlichen oder tierischen Nahrungsmitteln aufgenommen, sondern unzählige künstlich aufgepeppte Produkte enthalten zur farblichen »Verschönerung« gelbe oder rostrote Eisenoxide (E 172). Schwarzes Eisenglukonat (E 579) findet sich in schwarz gefärbten Oliven.

Eisenoxide, die als Farbstoffe in Süßigkeiten, Glitzerdekor, auf den Überzügen von Filmtabletten, Dragees oder Nahrungsergänzungsmitteln dienen, werden nur in geringem Maße vom Darm aufgenommen. Um einer übermäßigen Eisenzufuhr vorzubeugen, lohnt es sich, mit der Lupe einkaufen zu gehen, gerade bei bunt gefärbten Süßigkeiten für Kinder auf diese Zusatzstoffe in der Zutatenliste zu achten und sie entsprechend zu meiden. Aufgrund einer Deklarationspflicht für künstliche Farbstoffe, zu der noch einige andere gehören und die in Verdacht stehen, bei Kindern Hyperaktivität auszulösen, wirbt inzwischen die Nahrungsmittelindustrie für Produkte, die nur mit natürlichen farbgebenden Pflanzenauszügen hergestellt werden.

Eisenglukonat kann der menschliche Darm besser resorbieren, deshalb werden beispielsweise Fruchtsäfte für Kinder, Stillende und Schwangere damit angereichert. Auch etliche Frühstücksprodukte und Frühstücksflocken enthalten Eisenzusätze. Für Veganer eine Alternative, aber auch hier gilt es, den Körper nicht mit Eisen zu überladen.

Eine chronische Aufnahme von Eisen weit über den Bedarf hinaus kann mit Eisenablagerungen in der Leber, der Bauchspeicheldrüse oder im Herzmuskel verbunden sein. Die Bauchspeicheldrüse kann in der Folge ihre Funktionsfähigkeit verlieren, und es kann ein Diabetes mellitus entstehen.

In einer Studie, welche den Zusammenhang zwischen der Verzehrshäufigkeit von rotem Fleisch mit der Erkrankungsrate an Diabetes mellitus untersuchte, kam man zu der Auffassung: Nicht nur der Verarbeitungsgrad des roten Fleisches mit Nitritpökelsalz spielt für das Risiko, die Zuckerkrankheit zu bekommen, eine Rolle. Auch die Menge an frisch gekochtem roten Fleisch ist von Bedeutung. Als Erklärung wird der höhere Eisengehalt von rotem Fleisch heran gezogen. »Die Überladung des Körpers mit Eisen (Hämochromatose) hat Typ-2-Diabetes zur Folge«, heißt es in einer Stellungnahme von Hans-Georg Joost, dem wissenschaftlichen Vorstand des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke.

Gegenüber den isolierten Eisenzusätzen in Fruchtsäften & Co haben Fleischwaren den Vorteil, gleichzeitig wichtige andere Spurenelemente wie zum Beispiel Zink, Kupfer oder Selen zu liefern. Um jedoch auch anderen ernährungsabhängigen Erkrankungen wie Gicht, Rheuma und Arthrose vorzubeugen, ist es sinnvoll, Fleisch und Wurst bewusst nur je einmal pro Woche zu verzehren. Auch der gelegentliche Appetit oder das Verlangen auf ein Stückchen Rotwurst kann ein Ratgeber für die Häufigkeit auf dem Speisezettel sein. Beim Einkauf macht es Sinn, Rotwurst aus der Bio-Landwirtschaft zu bevorzugen, weil dort der Einsatz von Phosphaten nicht erlaubt ist. Für Rotwurst aus dem Glas kommen die Hersteller meist auch ohne Stabilisatoren wie Di- und Triphosphate (E 450) aus, welche die Verwertung vieler Elemente verschlechtern, den Knochenstoffwechsel stören und förmlich das Calcium aus den Knochen »herausziehen« sowie bei Kindern übernervöses Verhalten und Konzentrationsstörungen hervorrufen können.

Frauen nach der Menopause haben einen geringeren Eisenbedarf und tun gut daran, ihre Essgewohnheiten anzupassen. Ist jedoch eine größere Operation geplant, beispielsweise an Knie oder Hüfte, ist es durchaus sinnvoll, bereits einige Monate vorher durch den gelegentlichen Verzehr von rotem Fleisch einen kleinen Vorrat an körpereigenem Eisen anzulegen.

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