Irrweg der Geruchsforschung

Studie belegt: Pheromon-Parfüms haben auf Menschen keine erotisierende Wirkung. Von Martin Koch

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 5 Min.

Frauen und Männer, die sich auf ein Date vorbereiten, tun fast alles, um auf das andere (oder gegebenenfalls das gleiche) Geschlecht erotisch anziehend zu wirken. Denn sie wissen: Ein vorteilhaftes Äußeres und eine gehörige Portion Charme wirken beim Kennenlernen oftmals Wunder. Aber auch der Duft spielt eine wichtige Rolle. Wer beim ersten Date aufdringlich nach Schweiß oder Ähnlichem riecht, hat kaum Chancen, das erotische Interesse seines Gegenübers zu erwecken. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gerüche, die wir verströmen, häufig unserer Kontrolle entgleiten, so dass wir erst an den ablehnenden Reaktionen anderer merken, dass mit unserer Duftnote etwas nicht stimmt. Schon der Philosoph Immanuel Kant beklagte, dass es auf der Welt so viele schlechte Gerüche gebe. Er nannte den Geruchssinn deshalb den »undankbarsten« und »entbehrlichsten« aller Sinne. Lediglich »als negative Bedingung des Wohlseins«, sprich zum Zwecke der Abwendung von Gefahren, sei der Geruchssinn von Nutzen.

Als Kant dies schrieb, lag eine Erkenntnis noch völlig im Dunkeln: Neben bewusst wahrnehmbaren Gerüchen gibt es auch unbewusst wirkende Duftstoffe, die von einem Individuum nach außen abgegeben werden und bei einem anderen Individuum der gleichen Art spezifische Reaktionen auslösen. Diese für die Fortpflanzung essenziellen Stoffe werden nach einem Vorschlag des Chemikers Peter Karlson und des Zoologen Martin Lüscher als Pheromone bezeichnet. Im Gegensatz dazu dienen sogenannte Allomone der Kommunikation zwischen Individuen verschiedener Arten.

1959 extrahierte der Chemienobelpreisträger Adolf Butenandt aus den Drüsen von 500 000 weiblichen Seidenspinnern das erste Pheromon, den Sexuallockstoff Bombykol, der auf männliche Seidenspinner eine magische Anziehung ausübt. In der Folge wurden bei vielen weiteren Insektenarten Pheromone entdeckt, die unter anderem die Paarungsbereitschaft der Weibchen signalisieren. Aber auch Männchen setzen Sexuallockstoffe frei, mit denen sie Weibchen über ihre genetische Ausstattung informieren.

Offen blieb, ob das Sozial- und Sexualverhalten von »höheren« Tieren ebenfalls von Pheromonen beeinflusst wird. Inzwischen weiß man, dass flüchtige Duftstoffe bei Hamstern, Mäusen und anderen Säugetieren das Paarungsverhalten und den weiblichen Reproduktionszyklus steuern. Zum Aufspüren der Pheromone nutzen die Tiere das sogenannte Vomeronasalorgan, das sich zu beiden Seiten der Nasenscheidewand befindet. Auch beim Menschen entsteht im fetalen Stadium ein solches Organ. Es bildet sich aber noch vor der Geburt zurück, so dass Erwachsene lediglich einen verkümmerten Rest davon besitzen.

Gleichwohl versprechen Parfümhersteller vollmundig, dass sich Menschen in ihrem Sexualverhalten von unbewusst wahrgenommenen Duftstoffen leiten ließen. Vor allem zwei Substanzen werden hier immer wieder genannt: das in der Samenflüssigkeit und den Achselhöhlen von Männern vorkommende Androstadienon sowie das erstmals im Urin von Frauen nachgewiesene Estratetraenol. Ob beide Stoffe tatsächlich Pheromone sind und unsere sexuelle Wahrnehmung beeinflussen, überprüfte ein Forscherteam um Wen Zhou von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften vor drei Jahren an 48 hetero- und homosexuellen Frauen und Männern. Diese mussten jeweils einen der fraglichen Düfte einatmen. Gleichzeitig führte man ihnen kurze Filmsequenzen vor, in denen der Gang menschlicher Gestalten durch einige Punkte angedeutet wurde. Die Aufgabe der Probanden bestand darin, die Punktmuster einem Geschlecht zuzuordnen. Ergebnis: Hatten heterosexuelle Männer an Estratetraenol geschnuppert, interpretierten sie die Punkte als weibliche Figuren. Auf heterosexuelle Frauen wirkte die Substanz indes nicht. Dafür sprachen diese auf Androstadienon an und ordneten den Punkten männliche Figuren zu. Homosexuelle Männer und Frauen reagierten eher auf den Signalstoff des eigenen Geschlechts.

Obwohl dieses Ergebnis nicht gerade sensationell anmutet, sahen Zhou und seine Kollegen darin den ersten gesicherten Nachweis von menschlichen Pheromonen: »Wir konnten zeigen, dass die Nase aus Körpersekreten das Geschlecht erschnüffelt, selbst wenn wir auf bewusster Ebene nichts zu riechen glauben.« Doch in der Wissenschaft hat eine Erkenntnis bekanntlich nur Bestand, wenn sie von anderen Forschern bestätigt wird. Zumal es im betreffenden Fall auch um viel Geld geht. Denn mit Sexuallockstoffen angereicherte Parfüms sind in der Regel sündhaft teuer.

In einem neuen Experiment testete ein Forscherteam um Robin Hare von der University of Western Australia in Crawley noch einmal verschiedene Parfüms, die Estratetraenol, Androstadienon oder ein Placebo enthielten. Die Probanden, 94 hetero- und homosexuelle Frauen und Männer, wurden zunächst gebeten, geschlechtsneutrale Gesichter, die zuvor am Computer zusammengesetzt worden waren, einem Geschlecht zuzuordnen. Im zweiten Schritt mussten die Teilnehmer menschliche Gesichter nach Attraktivität ordnen und angeben, ob sie der betreffenden Person einen Seitensprung zutrauten oder nicht.

Wie Hare und seine Kollegen im Fachblatt »Royal Society Open Science« (DOI: 10.1098/rsos.160831) mitteilen, war weder Estratetraenol noch Androstadienon von irgendeinem Einfluss auf die getroffenen Entscheidungen der Probanden. Das Resümee der Forscher fiel diesmal vorsichtiger aus: »Sollte es menschliche Pheromome geben, gehören Estratetraenol und Androstadienon wahrscheinlich nicht dazu.«

Schon länger ist bekannt, dass der Mensch fünf funktionstüchtige Gene besitzt, die in der Riechschleimhaut Pheromonrezeptoren bilden. Doch gibt es überhaupt Stoffe, auf die diese Rezeptoren reagieren? Hanns Hatt vom Lehrstuhl für Zellbiologie der Ruhruniversität Bochum (RUB) hat einen solchen Stoff identifiziert: Hedion, ein synthetischer Duft mit einer Jasmin-Magnolien-Note. Hedion aktiviert im Gehirn einen Bereich des Hypothalamus, der unter anderem die Ausschüttung von Sexualhormonen steuert. Bei Frauen ist diese Aktivität übrigens stärker ausgeprägt als bei Männern. In einem nächsten Schritt wollen Hatt und seine Kollegen in Körpersekreten Geruchsmoleküle finden, die hedionähnlich sind und auf den Rezeptor wirken. »Damit könnten Menschen dann tatsächlich miteinander kommunizieren.«

Gleichsam als Vorgeschmack darauf hat die Universität Bochum im Jahr 2015 als erste Hochschule weltweit ein eigenes Parfüm herausgebracht. Es trägt die Bezeichnung »Knowledge by RUB« und duftet nach Zitrusfrüchten, Blumen und Holz, einer Mischung, die, so heißt es, der Entspannung und geistigen Fitness diene. Aber auch Hedion ist in dem Parfüm enthalten. Ob dieses nun tatsächlich wie ein Aphrodisiakum wirkt, wird derzeit von zahlreichen Anwendern getestet. Im Gegensatz zu anderen angeblich lustfördernden Parfüms (und so manchen Edeldüften) ist »Knowledge by RUB« nicht übermäßig teuer. Eine 50-Milliliter-Flasche kostet 29,50 Euro.

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