Was ist »typisch deutsch«?

Sven Halfar über seinen Film »Yes I am« - ein Porträt schwarzer Musiker / Filmstart am 15. Februar

  • Lesedauer: 3 Min.
ND: Wie kamen Sie darauf, einen Film über schwarze Deutsche zu machen?
Halfar: Diese Frage impliziert: Warum macht ein Weißer einen Film über Schwarze? Mir ging es aber nicht darum, pauschal einen Film »über Schwarze« zu machen. Als Filmemacher habe ich die Pflicht, gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen. Rassismus ist ein gesellschaftlich relevantes Thema.

Dann hätten Sie auch drei afrikanische Flüchtlinge porträtieren können. Aber die »Brothers Keepers« sind inzwischen relativ bekannt - und prominente Künstler ziehen sicher mehr Publikum.
Natürlich freue ich mich, wenn der Film gut ankommt, aber mir geht es nicht in erster Linie um den finanziellen Erfolg, sondern darum, etwas zu bewirken und einen anderen Blick auf dieses »Deutsch-Sein« zu vermitteln. Auf das Thema gestoßen bin ich durch einen Artikel im »Spiegel«, in dem Adé Odukoya und Xavier Naidoo das Projekt »Brothers Keepers« vorstellten, das im Jahr 2000 nach der Ermordung Alberto Adrianos ins Leben gerufen worden war. Er trug den Titel »Wir sind stolz, Deutsche zu sein«. Das passte überhaupt nicht in mein Weltbild. Zum einen war dieser Satz verpönt, zum anderen bedeutete für mich bis dahin »Deutsch-Sein« automatisch Weiß-Sein.
Durch den Artikel habe ich angefangen nachzudenken. Als Filmemacher habe ich die Möglichkeit, Klischees aufzubrechen und zu provozieren. Die Porträtierten gehören einer Generation an, in der zum ersten Mal »Afro-deutsch«- Sein eine relevante Rolle spielt. Die »Brothers« und »Sisters Keepers« melden sich selbstbewusst zu Wort, weil sie mit dem Deutsch-Sein keine Berührungsängste haben, und vermitteln so ein völlig anderes Deutschlandbild als jenes, das wir im Kopf haben.

»Yes I am« klingt sehr selbstbewusst, aber wenig provokant.
Leider habe ich mich bei der Wahl des Titels nicht gegen die Produktionsfirma durchsetzen können. Mein Vorschlag war »Typisch deutsch«. Die Assoziation, die dieser Titel hervorruft, hätte ich auf dem Filmplakat mit den Porträts der Beteiligten konterkariert. Das hätte sicher Diskussionen ausgelöst über das Kernthema des Films: das Selbstverständnis, deutsch zu sein - unabhängig von der Hautfarbe.

An dem Projekt »Brothers« und »Sisters Keepers« waren etwa 50 Künstler beteiligt. Wie ist es zu Ihrer Auswahl gekommen?
Fest stand für mich, dass Adé Odukoya mitmachen musste, weil er der Initiator der »Brothers Keepers« war. Ansonsten wollte ich die Bandbreite der unterschiedlichen Biografien und auch die Gegensätzlichkeiten der Lebensgeschichten repräsentieren. Außerdem wollte ich eine der »Sisters« dabei haben, da habe ich Mamadee ausgewählt, weil sie in der DDR aufgewachsen ist. Und - ganz ehrlich - eine wesentliche Rolle hat gespielt, dass die Chemie zwischen den Beteiligten und mir stimmte.

Waren die Protagonisten von dem Filmprojekt begeistert?
Überhaupt nicht. Bis auf Adé haben alle abwehrend reagiert, weil sie wollten, dass der Film von einem schwarzen Regisseur gemacht wird. Aber ich konnte sie davon überzeugen, dass sie Gefahr laufen, sich selbst in ihrer afro-deutschen Nische zu gettoisieren und nur ein »stupid white man« wie ich genau die dummen Fragen stellen kann, die die Zuschauer sich auch stellen. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, wirklich ein breites Publikum zu erreichen, dem Thema Rassismus und dem Projekt »Brothers Keepers« einen neuen Schub zu geben.

Fragen: Birgit Gärtner
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