Gefährlich dicht aufgefahren

Polizei überprüft bei einer Großkontrolle an der A 12 die Sicherheitsabstände der Laster

Auf der Autobahn A 12 vom Berliner Ring zur polnischen Grenze bei Frankfurt (Oder) fahren die Lastwagen wie an einer Perlenkette aufgereiht. Sie haben meist polnische Kennzeichen. Einige wenige deutsche sind auch zu sehen, dazu vereinzelt russische und litauische. Rund die Hälfte aller Berufskraftfahrer halten den für Lkw auf der Autobahn vorgeschriebenen Sicherheitsabstand nicht ein. Ab einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde müssten es mindestens 50 Meter sein, sagt Polizeioberrat Jan Strotzer, Brandenburgs oberster Verkehrspolizist.

2502-mal stießen Lkw im vergangenen Jahr auf den Autobahnen des Bundeslandes zusammen. 13 Menschen starben dabei. In 388 Fällen stellte die Polizei fest, dass zu dichtes Auffahren die Unfallursache war. Teils rücken die Fahrer so dicht an den vorausfahrenden Laster heran, dass sie dessen Bremslichter kaum noch sehen können, berichtet Strotzer.

Am Donnerstag führt die Polizei am Rastplatz Kersdorfer See kurz vor der Abfahrt Briesen eine öffentlichkeitswirksame Großkontrolle durch. »Wir wollen mit der Aktion ein Zeichen setzen«, erklärt Strotzer. Wenn viele Fahrer erwischt werden und wenn sie über die Großkontrolle aus Rundfunk und Fernsehen oder aus der Zeitung erfahren, dann überdenken sie vielleicht ihre gefährliche Fahrweise. Zuletzt sind die Verhältnisse leider immer schlimmer geworden, die Zahl der Unfälle nahm 2016 um 19,5 Prozent zu. 90 Polizisten sind im Einsatz, dazu noch Kollegen aus Polen, vom Zoll, vom Bundesamt für Güterverkehr sowie von den Landesämtern für Arbeitsschutz und Verkehr, insgesamt 110 Personen.

Vor dem Rastplatz haben sich Motorradstreifen postiert. Sie stellen die Verstöße fest und geben die Kennzeichen durch. Kollegen winken die Sünder dann heraus. Angehalten wird etwa ein lettischer Fahrer auf dem Heimweg nach Riga. Seiner Schuld ist er sich bewusst. Er diskutiert nicht lange. Aber er flucht, denn er hat nur 40 Euro in bar dabei. Die zahlt er anstandslos an, den Rest muss er später überweisen. Diese Scherereien wurmen ihn. »Sto Euro«, versucht es der Polizist auf Russisch. Doch der weißhaarige Mann in Trainingshose spricht ein paar Brocken Deutsch. 100 Euro soll er berappen, das hat er schon verstanden. Darin enthalten sind 20 Euro Bearbeitungsgebühr für den Aufwand einer Anzeige, die ins Ausland geschickt werden muss. Zudem gibt es noch einen Punkt in der Flensburger Verkehrssünderkartei. Summieren sich die Punkte zu einem mehrmonatigen Fahrverbot in Deutschland, wäre dies für jeden osteuropäischen Fernfahrer ein Problem, denn die Bundesrepublik ist für sie ein Transitland, um das sie nicht einfach drum herum kommen.

Von 8 bis 11 Uhr haben die Einsatzkräfte 65 Laster kontrolliert. Es gibt 52 Beanstandungen, davon 23 wegen zu geringen Abstands. Der Rest entfällt auf technische Mängel, nicht eingehaltene Ruhezeiten oder eine unzureichende Sicherung der Ladung. Überprüft wird auch ein Tieflader, der einen Panzer transportiert, aber die nötige Sondergenehmigung dabei hat und weiterfahren darf. Dagegen wird ein gestohlener teurer Pkw sichergestellt und der Fahrer festgenommen, bevor er über die Grenze entweichen und dort die ihm nach eigenen Angaben als Kurier versprochenen 300 Euro kassieren kann.

Insassen einiger Reisebusse müssen aussteigen und ihr Gepäck ablegen. Diensthundeführer Reinhard Repphagen vom Zoll lässt seinen Rüden Joe nachschnüffeln, ob Drogen in den Taschen sind. Das Tier sei neun Jahre alt und in diesem Metier »quasi ein alter Hase«, verrät Repphagen.

Zur Kontrolle der Sicherheitsabstände testet die brandenburgische Polizei zum zweiten Mal den Einsatz eines Hubschraubers. Pilot Andreas Böcker zeigt die vorn am Fluggerät angebrachte Kamera. Sie misst die Distanzen elektronisch und sendet Videosequenzen mit den Daten. Am Boden sitzt Polizist Tino Schubert in einem Kleintransporter am Computer, wertet die Bilder aus und fertigt gleich die Anzeigen aus. Die Kameratechnik ist so ausgefeilt, dass die Nummernschilder selbst dann noch zu entziffern sind, wenn der Hubschrauber derartig hoch fliegt, dass er nur als kleiner Punkt am Himmel zu sehen ist. Böcker hat im Laufe des Vormittags einige brenzlige Situationen erspäht und Abstände von teils nur zwölf Metern gemessen. Der Negativrekord lag bei sechs Metern.

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