Der »kleine BER« in den Havelauen

Werders Blütentherme am Zernsee soll nach jahrelanger Verzögerung fertig gebaut werden

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 7 Min.

Die Blütenstadt Werder (Havel) im Landkreis Potsdam-Mittelmark feiert im Juli mit einer Festwoche ihr 700-jähriges Bestehen. Es ist das zweite Großereignis in diesem Jahr und die Stadtverwaltung, das Tourismusbüro sowie zahlreiche Geschäftsleute am Ort hoffen nun auf eitel Sonnenschein, nachdem das Wetter das traditionelle Baumblütenfest Anfang Mai beeinträchtigt hatte. Werder ist staatlich anerkannter Erholungsort, doch die meisten Besucher kommen, wenn die Bäume blühen. Oder sie bevölkern bei schönem Ausflugswetter die romantische Havelinsel, den Wachtelberg mit der Straußwirtschaft, die Obstgärten, Plantagen und Reiterhöfe der Umgebung. In den letzten Jahren sind immer mehr Jachtanleger und Marinas entlang der Havel entstanden, doch es fehlt an Attraktionen, die das gesamte Jahr über mehr Gäste begeistern können.

Vor mehr als 17 Jahren hat die Stadt den Bau eines Freizeitbades beschlossen und das Projekt schwungvoll angeschoben. Das Ergebnis ist am Ende einer im Entstehen begriffenen Hafenpromenade zu besichtigen. In bester Lage am Stichkanal, der vom Großen Zernsee zur Marina Havelauen führt und den gleichnamigen neuen Stadtteil durchschneidet, wartet seit Jahren die Blütentherme inmitten wild wuchernder Natur auf bessere Zeiten. Ein wellenförmiger Rohbau mit ockerfarbener Fassade, die Fenster- und Türöffnungen mit Folien geschützt, die Baustelle aufgeräumt und mit Zäunen gesichert.

»Werder (Havel) nimmt als Ausflugs- und Urlaubsziel in der Hauptstadtregion eine hervorragende Entwicklung«, sagt Werders Pressesprecher Henry Klix. Die landeseigene Tourismus Marketing Brandenburg zähle die Stadt zu den zehn beliebtesten Reiseorten im Land. »Durch die Blütentherme kann die Stadt diese Entwicklung weiter befördern. Sie könnte zu einer deutlichen Steigerung der Übernachtungszahlen in Werder führen und besonders die Auslastung außerhalb der Kernsaison deutlich verbessern«, sagt Klix. »Außerdem werden von der Stadt erhebliche wirtschaftliche Effekte im Dienstleistungsbereich erwartet.« Schon jetzt seien Synergien an den Entwicklungen in den Havelauen spürbar. Unter anderem seien dort Investitionen in den Bau von Einfamilienhäusern und Geschosswohnungsbauten ausgelöst worden, sowie in ein Nahversorgungszentrum, zwei Kindergärten und ein Seniorenheim.

Mit seiner Therme hatte es Werder in den Bäderplan des Landes geschafft. Nun sollte es »Deutschlands größtes überdachtes Freizeitbad« werden. Eine Investorin aus Zypern hatte versprochen, dafür 25 Millionen Euro auszugeben. Von einem Baubeginn 2002 war die Rede und davon, dass man schon 2004 fertig sein wolle - an einem Standort, an dem zu jener Zeit noch verlassene Kasernen vor sich hin rotteten. Das Land aber setzte andere Prioritäten, lehnte eine Förderung ab. Was blieb, waren Blütenträume.

Das sah 2010 anders aus, als die Stadtverordneten beschlossen, auf der Landzunge, die in den Großen Zernsee ragt, die Blütentherme zu bauen. Voller Optimismus legte der damalige Bürgermeister Werner Große (CDU) im Oktober 2011 den Grundstein für diese »bedeutende Attraktion«. Für 18 Millionen Euro sollte die Kristall Bäder AG aus dem Frankenland den Wellnesstempel mit Sportbereich samt 25-Meter-Schwimmbecken und Saunalandschaft errichten. Dass Risiko schien überschaubar, wollte Kristall die Therme doch, wenn sie einmal lief, der Stadt abkaufen.

Es kam anders: Die im Vertrag vereinbarte Eröffnung im Dezember 2012 kam nicht zustande - es war das Jahr der geplatzten Flughafeneröffnung am BER in Schönefeld. Und seither mehrten sich die Parallelen auf beunruhigende Art. Regelmäßig, insgesamt siebenmal, wurde die Eröffnung der Blütentherme abgeblasen. Die Bauarbeiten stockten, die Kosten stiegen. Seit Dezember 2014 schließlich rührte sich auf der Baustelle gar nichts mehr. Nach juristischem Streit schlossen Stadt und Kristall Bäder AG einen Vergleich, im November 2015 beschloss die Stadtverordnetenversammlung, den Vertrag zu beenden.

Der Rohbau, eine notdürftig gesicherte leere Hülle, hat die Stadt seither eine Menge Geld gekostet. Der Bund der Steuerzahler hatte das Projekt als Beispiel für die Verschwendung öffentlicher Mittel in seinem Schwarzbuch 2016 aufgeführt - ein Vorwurf, den die Stadt zurückweist.

In einer Stellungnahme hatte damals Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) die Position der Stadt verteidigt: »Trotz des Misserfolgs mit der Kristall Bäder AG halte ich es an diesem Standort immer noch für möglich, dass wir unser neues Bad in Werder auch unter Beteiligung eines privaten Partners zum Erfolg führen können.« Sie berichtete darüber, dass die Stadt die Möglichkeit eines solchen Beteiligungsmodells in einem Interessenbekundungsverfahren hinterfrage, um die Blütentherme zu Ende bauen und erfolgreich am Markt platzieren zu können. Schon damals verwies sie auf Interessenten, die Angebote zum Kauf und zur eigenfinanzierten Fertigstellung der Therme abgeben wollen.

Klix sagt: »In den Bau des Bades sind bislang 16,2 Millionen Euro städtischer Gelder geflossen. Inklusive Grundstückserwerb, Versicherungs- und Personalkosten, Steuerberatungskosten, Anlaufkosten und Zinsen betragen die bisherigen Kosten 21 Millionen Euro.« Weiterhin sagt er: »Der Bau ist nach Angaben von Sachverständigen zu etwa 50 Prozent fertiggestellt. Es wurden eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um die Bausubstanz zu sichern.«

Inzwischen ist im nahen Potsdam der ebenso lang gehegte Traum vom neuen Spaßbad am Brauhausberg Wirklichkeit geworden. Der »blu« genannte Neubau, der am 7. Juni eröffnet wird, vereint unter einem Dach ein wettkampftaugliches 50-Meter-Schwimmbecken samt der zugehörigen Infrastruktur mit einem Spaßbad und einer großen Saunalandschaft. Dazu gibt es eine Selbstbedienungsrestaurant und noch im Sommer wird auch ein Freiluftareal mit Liegewiese fertig werden.

Für Werder und seine Blütentherme scheint das keine allzu gute Nachricht zu sein. Auch, wenn die 25 000-Einwohner-Stadt offiziell die Konkurrenz der Landeshauptstadt nicht fürchtet und am eigenen Wellnessbad als Teil ihres Tourismuskonzepts festhält. Und es ist Bewegung in die Angelegenheit gekommen. Die Stadt will einen neuen privaten Investor finden, der das Bad vollenden und auch betreiben soll. So hatte es der städtische Badausschuss im Februar 2017 auf Antrag der CDU-Fraktion beschlossen und der Stadtverordnetenversammlung vorgeschlagen. Die hat mit deutlicher Mehrheit ein Vergabeverfahren beschlossen, das seit März stattfindet. Es wird ein Teilnahmewettbewerb mit Verhandlungsverfahren durchgeführt. Interessenten können sich noch bis zum 19. Mai 2017 um 11 Uhr anmelden. Am Ende des Verhandlungsverfahrens soll mindestens ein zuschlagfähiges Angebot für die Gesundheits- und Wellnesstherme mit Familien- und Sportbad vorliegen.

»Die Bürgermeisterin rechnet damit, dass es zum Jahreswechsel soweit ist«, sagt Klix. Zwölf Monate wären wohl erforderlich, um den Bau nach den bisherigen Planungen fertigzustellen. »Um die Blütentherme wie in der baugenehmigten Planung beschieden fertigzustellen, sind nach Aussage von Gutachtern weitere zehn Millionen Euro erforderlich.« Was das am Ende über die Gesamtkosten und einen etwaigen Eröffnungstermin aussagt, wird sich aber erst bei Vertragsabschluss präzisieren lassen.

Klix sagt: »Das Bad richtet sich an alle erholungssuchenden Gäste der Stadt Werder und an die Werderaner.« Weiterhin sagt er: »Ziel ist der Betrieb eines öffentlichen Bades mit den Schwerpunkten Gesundheit und Wellness. Für die Daseinsvorsorge soll ein 25-Meter-Becken mit Familienangeboten unter anderem für den Schul- und Vereinssport ergänzt werden.« Für den Sportbereich werde man sozialverträgliche Eintrittspreise sicherstellen.

Die Ausstattung der Blütentherme orientiert sich am Standard der 2014 erteilten Baugenehmigung. Der sieht neben dem Sport- und Familienbereich eine Saunawelt mit mehreren Innen- und Außensaunen vor, eine Großraumsauna mit Ausschwimmbecken, einen Sole-Thermen-Bereich mit Blüten-Innen- und Außenbecken, einen Strömungskanal sowie Warm- und Kinderbecken. Zusätzlich sollen ein Wasserspielplatz und Warmwasserflächen für Kleinkinder entstehen. Das Gastronomieangebot wird mehrere Poolbars einschließen.

Mit den Havelauen im Norden von Werder entsteht auf 130 Hektar am Großen Zernsee ein Stadtteil mit beinahe mediterranem Flair. Mitte der 1930er Jahre hatte Hermann Görings Luftwaffe das Areal gekauft und dort eine Luftkriegsschule samt Fliegerhorst errichtet. Diesen besetzte die Rote Armee 1945. Nach dem russischen Truppenabzug 1994 wurde die Kasernenstadt zur größten Konversionsfläche der Stadt. Inzwischen sind inmitten des grünen Ufergürtels großzügige Wohnbauten und Freizeitanlagen sowie Gewerbeeinrichtungen entstanden. Der Hafen verspricht ein Magnet für den boomenden Bootstourismus auf der Havel zu werden. Die Fertigstellung der Blütentherme könnte dem Areal nachhaltig Leben einhauchen. Bus- und Fahrradverkehr erhielten neue Trassen und ein echtes Ziel, neben dem sich, wie geplant, auch ein Hotel und Ferienhäuser etablieren würden.

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