Architektonisches Kunstwerk ohne Künstler

Auf Lanzarote wächst seit Jahrhunderten der »Wein aus dem Feuer« in handgebuddelten Lavakratern

Einen guten Wein kann man durchaus als Kunstwerk bezeichnen. Kenner greifen für besondere Tropfen tief in die Tasche, und Sammler verschließen Raritäten in temperierten Tresoren. 1985 zahlte einer für eine einzige Flasche Yquem - der als König der Süßweine gilt - auf einer Versteigerung bei Christie's in London 105 000 britische Pfund. Ob diese Flasche jemals geöffnet wird, und ob der Inhalt hält, was man für das Geld erwarten kann, darf bezweifelt werden. Bezahlt hat der Sammler für Tradition und Namen, für Alter und Seltenheit.
Wer Weinkunst erleben will, kann das auch bedeutend preiswerter haben - auf Lanzarote. Zwar können die Rebensäfte qualitätsmäßig nicht mit der Königsklasse mithalten, dafür ist die Anbaumethode der Weinstöcke im Tal La Geria im Südosten der kanarischen Insel einmalig auf der Welt. Zehntausende von Trichtern überziehen das Land. Sie wurden von den Weinbauern in mühevoller Handarbeit in die Vulkanasche gegraben und jeweils mit bis zu drei Weinstöcken bepflanzt. Jeden dieser Trichter umgibt eine halbmondförmige, niedrige Mauer aus Lavagestein, die die empfindlichen Weinstöcke gegen die fast ständig wehenden Nordwinde schützt. Wie ein geometrisches Strickmuster reihen sich die Trichter im Tal von Geria, eine jahrhundertealte Meisterleistung der Weinbauern, die sie von Generation zu Generation weitergeben. Heute wird auf etwa 2500 Hektar, das sind 66 Prozent der gesamten landwirtschaftlich nutzbaren Fläche der Insel, Wein angebaut. 1964 erklärte das Metropolitan Museum of Modern Art (MOMA) in New York das Tal La Geria zum Gesamtkunstwerk und ehrte es mit der Auszeichnung »Engineering without Engineers« (Ingenieurkunst ohne Ingenieure).
Die früheste Erwähnung des Weinbaus auf Lanzarote stammt aus dem 16. Jahrhundert, doch erst nach großen Vulkanausbrüchen im 18. Jahrhundert erlebte er seine Blüte. In der Lavaasche, die in der kühlen Nacht die Feuchtigkeit speichert und diese in der Hitze des Tages langsam an die Pflanzen abgibt, fühlen sie sich offensichtlich sehr wohl. Traditionell werden die weißen Malvasier- und Muskatellerreben angebaut, aus denen in der Vergangenheit ausschließlich die schweren, süßen Likörweine gewonnen wurden, für die Lanzarote einst berühmt war. Doch der Trend geht seit Jahren immer mehr hin zu trockenen und halbtrockenen frischen Weißweinen. Fast alle der rund 1600 Winzer der Insel bieten diese heute an. Glücklicherweise haben die meisten jedoch die Tradition nicht vergessen, und so kann man nach wie vor auch die süffigen »Wuchtbrummen« probieren.
Beispielsweise bei einer Verkostung im Weingut »El Grifo«, der ältesten Bodega Lanzarotes, die 1775 gegründet wurde. Hier sind noch ein paar knorrige Wein-Methusalems zu sehen, wie eine Muskatellerrebe, die Mitte des 19. Jahrhunderts gepflanzt wurde und bis heute Trauben trägt. Anfang der 90er Jahre hat die Familie Betancourt, die das Weingut in fünfter Generation betreibt, hier ein Museum eingerichtet, in dem man alles über Vergangenheit und Gegenwart des Weinanbaus auf Lanzarote erfährt. Zahlreiche historische Gerätschaften geben eindrucksvoll Auskunft darüber, mit welchen Mitteln gearbeitet wurde, um den »Wein aus dem Feuer« zu produzieren. Am Ende der Besichtigung steht eine Verkostung, bei der man neben traditionell und trocken ausgebauten Weißweinen auch Rot- und Roséweine bekommt.
Diese werden erst seit rund 20 Jahren auf der Insel angebaut und können qualitätsmäßig noch nicht mit den Weißen mithalten. Das wissen die Weinbauern, und das sagen sie auch selbstbewusst den Gästen. Insbesondere die Jungen sehen aber genau darin eine Herausforderung. Zu ihnen gehört der erst 26-jährige Önologe Alejandro Besay Felipe Muñoz, der auf dem Weingut »La Geria« neben den klassischen weißen Traubensorten auch die rote Listan-Rebe anbaut. Er setzt seinen ganzen Ehrgeiz hinein, nicht nur sehr gute Weißweine anzubieten, sondern auch immer bessere Rotweine, die sowohl den Insulanern als auch den Touristen schmecken.
Alljährlich am 30. November gibt es in der Region ein großes Weinfest, wo viele Winzer ihre jungen Weine präsentieren. An diesem einen Tag im Jahr kann man sich festsetzen und durch die Angebote der verschiedenen Weingüter kosten. Den Rest des Jahres ist der direkte Vergleich nur möglich, wenn man die rund 17 Kilometer lange Weinstraße von Uga nach Mozaga unter die Füße nimmt und sich von Weingut zu Weingut durchprobiert. Und wer ganz nah am Geschehen sein will, kann sich auch gleich bei einem Winzer einmieten. Denn viele Weinbauern bieten inzwischen auch Ferienwohnungen an.

Infos zu Lanzarote: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin, Tel.: (030) 882 65-43, Fax: -61, E-Mail: berlin@tourspain.es, www.spain.info; www.turismolanzarote.com, www.lanzarote.com
(Wein)Reisen nach Lanzarote sind u.a. buchbar bei TUI, Karl-Wichert-Allee 4, 30625 Hannover, Tel.: (01805) 884-266, Fax: -277 (je 0,12 Euro/Min.), E-Mail: info@tui.com, www.tui.de
Bodegas »El Grifo«, 35550 San Bartolomé, E-Mail: alquitara@elgrifo.com, www.elgrifo.com, ganzjährig 10.30 bis 18 Uhr geöffnet
Literatur: »Lanzarote«, DuMont Reiseverlag Ostfildern, ISBN 3-7701-6449-0, 7,95 Euro; »Lanzarote«,Polyglott ...

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