Kiezbewohner hängen am Balkon

Aktion Mitmensch im Wins-Viertel / Fotoplanen werden versteigert

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 2 Min.
Balkone haben Gesichter: Lächelnde oder ernst blickende Männer, schmunzelnde Frauen und Kinder. Im Kiez um die Winsstraße in Prenzlauer Berg hängen große Porträts an Balkonbrüstungen. Es sind 50 Schwarz-Weiß Fotos, aufgedruckt auf 1,50 mal 1 Meter großen Planen. Anwohner haben sich verewigen lassen und zieren seit kurzem viele Fassaden. »Wir konnten Menschen aus 13 unterschiedlichen Nationen ablichten«, sagt Ingmar Wengel. Gemeinsam mit Anke Vetter initiierte er das Projekt.»Mitmensch«. Die beiden Künstler wollen mit ihrem Projekt die Integration verschiedener Nationalitäten im Wins-Viertel darstellen. Und sie brauchten nicht lange nach Mitwirkenden zu suchen. Man kennt sich, man hilft sich und ist bereit mitzuwirken, beschreibt Anke Vetter das Zusammenleben im Kiez. Mehr als 50 Freiwillige meldeten sich. Martin Heesch aus der Winsstraße gehört dazu. »Ich finde die Aktion einfach gut«, sagt der freiberufliche Schauspieler. Außerdem sehen jetzt die alten Fassaden nicht mehr so anonym aus. Heesch »hängt« an einem Balkon in der zweiten Etage. Die Mieterin kannte er bisher nicht. So ist das aber bei den meisten. »Nur zwei "Darsteller" werben mit ihrem eigenen Foto«, sagt Anke Vetter. Die Aufnahmen entstanden in den Räumen des Vereins »Fetter Engel«. Auf einem Barhocker vor einer schwarzen Wand sitzend, wurden die Bilder von den Bewohnern gemacht. Beteiligt haben sich unter anderem Künstler, eine Supermarkt-Leiterin, Architekten, Maler und Verkäufer. Perizat aus der Türkei ist mit 77 Jahren die Älteste. Die zweijährige Leni präsentiert das jüngste Gesicht. Zu sehen sind auch Yukiko aus Japan und John aus Irland. Bis Ende April bleiben die Porträts an den Balkonen. Dann werden sie öffentlich versteigert. »Mindestgebot 100 Euro«, sagt Ingmar Wengel. Es gebe auch schon einige Interessenten. Mit dem Erlös soll das im Aufbau befindliche Projekt »das Berliner Kunststeuer« unterstützt werden: Dessen Ziel ist es, Mikrostipendien für integrierend arbeitende Künstler im Wins-Kiez zu vergeben. Ingmar Wengel und Anke Vetter wollen die »Mitmensch-Idee« auch in andere Berliner Bezirke bringen. Kontakte wurden bereits nach Wedding und Hohenschönhausen geknüpft. Das aktuelle Projekt förderte das Kulturamt Pankow mit 4000 Euro. Zurzeit sucht der Verein »Fetter Engel«, der bislang in der Winsstraße 9 untergebracht war, neue Räume. Vor drei Jahren gegründet, initiieren die Mitglieder »Kunst und Soziokultur«. »Uns geht es darum, die Leute vor Ort in unsere Kunstprojekte einzubeziehen«, erklärt Anke Vetter. Plakat-Versteigerung voraussichtlich am 29.4., nähere Infos unter 44 31 09 70 oder 0160-72 17 804.
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