Ohne Speis kein Fleiß

Das Schulessen in Brandenburg verbessert sich, hat aber noch Luft nach oben

  • Jana Klein
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit Grundschülern anlässlich neuer Zahlen zur Verpflegungslage in einer frisch renovierten Mensa Kassler und Sauerkraut essen - ein schöner Außentermin des Justiz-, Europa- und Verbraucherschutzministers Stefan Ludwig (LINKE). Mit den Kindern Schlange stehen, das Fleisch vom Caterer auf den Teller, Beilagen aus der Selbstbedienung, die Obsttheke heute links liegen gelassen, später noch der Pressetermin mit Zahlen, Einschätzungen und Handlungsempfehlungen. Seit einigen Jahren schon kümmert sich die Vernetzungsstelle Schulverpflegung im Auftrag des Landes unter anderem um die Speisen, die die Kinder und Jugendlichen in ihren Schulen bekommen.

Von 1,96 Euro im Jahr 2009 hat sich der zu zahlende Preis pro Mahlzeit auf 2,65 Euro im Jahr 2016 erhöht, drei von vier Kommunen helfen noch mit Subventionen ihrerseits nach. Ob man damit dem ausgewiesenen Ziel, den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung auf jedem Teller zu genügen, näher kommt, geht allein aus dem Preis jedoch noch nicht hervor. Heute jedenfalls gibt es in der Rosa-Luxemburg-Grundschule in Potsdam neben Fleisch auch eine Hauptkomponente aus Gemüse und außerdem liegen kleingeschnittene Bananen und sauer eingelegte Gurken aus.

»Das ist eine reine Gemüsemischung, die einfach gebacken ist«, gibt einer der Mitarbeiter der Cateringfirma auf Nachfrage zu den panierten Kringeln zu verstehen, ehe der gestresst wirkende Mann schnell weiter will. Im Gegensatz zu den Kindern weiß er, warum heute so viele Männer in Anzügen, Fernsehkameras und Frauen mit Notizblock in der Mensa unterwegs sind.

Am nächsten Tisch sitzen ein paar Mädchen. Einige tunken mitgebrachte Spaghetti in ein Glas Pesto. Früher, so erzählen die Kleinen wild durcheinander, habe noch eine andere Firma hier das Essen ausgegeben. Jetzt mit der neuen Firma gebe es auf einmal Probleme: unfreundliche Mitarbeiter, die wortkarg die Portionen servieren, einer der Mitarbeiter nenne eines der Mädchen nur »Lecker«, weil ihr Nachname wie ein bekannter Cocktail klingt, was das Mädchen überhaupt nicht witzig findet, und letztens habe sich ein Mädchen, weil es seinen Essenschip vergessen und dafür von einem Caterer zusammengestaucht worden war, gar nicht mehr in die Schlange getraut, den Tag hungernd verbracht.

Man merkt gleich: das Wohlbefinden von Kindern will sorgsam organisiert sein. Zum Beispiel in einer der Mensa-AGs, die es mittlerweile an vielen Schulen gibt. Hier treffen sich Eltern, Caterer und Schulleitung und verständigen sich auf die Menüs. Doch die neuen Zahlen zeigen auch: In 26 Prozent der Schulen entscheidet allein der Schulträger über das Essen. Dies ist ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben, in denen es heißt, die Träger haben im Benehmen mit den Schulen zu agieren. Bildungsminister Günter Baaske (SPD) kündigt an, hier jetzt stärker auf Einhaltung der Regeln zu pochen. Und auch das Problem mit dem Cateringpersonal ließe sich über eine Mensa-AG besser in den Griff kriegen, sagt Maren Daenzer-Wiedmer von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung, die sich darüber hinaus mehr gesetzliche Verbindlichkeiten und externe Qualitätsprüfung durch das Land wünscht. Doch hier gilt oft: Mischt sich das Land zu stark in die Angelegenheiten der Kommunen ein, muss es mitfinanzieren. Weiterbildungen für die Servicekräfte jedenfalls bietet die vom Land eingesetzte Vernetzungsstelle auf freiwilliger Basis an.

Ein weiteres großes Problem stellt die Lage an den Oberschulen dar. Hier nehmen gegenwärtig nur 22 Prozent der Schüler am Mensaessen teil, ein ernüchterndes Ergebnis. Das liegt zum Teil an den besonders in den Oberschulen viel zu kurzen Pausen. Insgesamt hat jede zweite Schule in Brandenburg eine Mittagspause von 30 Minuten oder weniger. Ideal wären 45 Minuten, meint die Vernetzungsstelle. Zum Vergleich: An Grund- und Förderschulen liegt die Teilnahmequote bei 68 Prozent der Schüler. Die Akzeptanz der Mensen unter Schülern und Eltern ebenfalls steigern würde auch eine weitere Verbesserung der Qualität der Speisen.

2013/14 sicherten sich noch 30 Prozent der Schulen mit ihrem Caterer vertraglich ab, heute sind es etwa 56 Prozent. Die gesetzliche Vorgabe vom Land sieht hier übrigens nur vor: Warm soll das Essen sein und einen angemessenem Preis haben. Den Qualitätskriterien, die die Vernetzungsstelle Schulverpflegung für ihre Erhebung zugrunde legt, genügen viele der erfassten Menülinien noch lange nicht. Noch immer wird zu viel Fleisch aufgetischt, noch immer zu wenig Seefisch, nur jede vierte Menülinie kommt tatsächlich täglich mit Salat oder Gemüse auf die Teller. Und die geforderte Vollkornquote erfüllt ebenfalls nur jede vierte Menülinie.

»Eine schmackhafte, abwechslungsreiche Verpflegung der Kinder und Jugendlichen in den Schulen ist Ziel der Vernetzungsstelle Schulverpflegung«, hebt Verbraucherschutzminister Ludwig hervor. Ohne anständige Mahlzeiten können die Mädchen und Jungen schließlich nicht konzentriert und fleißig dem Unterricht folgen.

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