Werbung

»Woodstock«-Festival darf stattfinden

Zehntausende zu Veranstaltung in Kostrzyn (Küstrin) erwartet / Nationalerkonservative hetzen gegen Event

  • Natalie Skrzypczak
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum Line-Up des kostenlosen Kultfestivals »Haltestelle Woodstock«, bei dem im vergangenen Jahr mehr als hunderttausend Menschen friedlich feierten, zählen 2017 neben polnischen Bands wie Materia und Wilki auch internationale Stars wie die schwedischen Rocker von Mando Diao. Konzerte auf mehreren Bühnen, Treffen mit Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace und Amnesty International - rund 800 Events stehen bis zum 5. August auf dem Programm.

Mit dem Festival bedankt sich der Musikjournalist Jerzy Owsiak nun zum 23. Mal bei jenen Freiwilligen, die sich beim »Großen Orchester zur Weihnachtshilfe« engagieren, wie Polens wichtigste Spendensammlung für Kinderkrankenhäuser heißt.

Einige Besucher sind mit »Woodstock« erwachsen geworden und fahren nun mit der eigenen Familie zum Spektakel. Doch während das Festival für viele Polen Kult ist, unterstellt der bekannte rechtskatholische Pater Tadeusz Rydzyk Owsiak dem Treffen schlechten Einfluss auf die Jugend. Die bunte Menge und der harte Rock’n’Roll sind dem Geistlichen mit Nähe zur nationalkonservativen Regierung nicht geheuer. Rydzyks Fernsehsender TV Trwam verlor vor Jahren einen Verleumdungsprozess gegen Owsiak. In einem Beitrag über das Festival war von »Marihuana-Vergabestellen« und einem »satanistischen Einfluss« auf die Besucher die Rede.

»Es stimmt nicht, dass das Festival eine Ansammlung von Junkies ist«, wehrte Veranstalter Owsiak auch in diesem Jahr in polnischen Medien die Vermutungen ab. Er gilt als Kritiker der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Seit der Machtübernahme der Nationalkonservativen 2015 wird sein »Woodstock« auch von Sicherheitsbedenken überschattet. Zum zweiten Jahr in Folge wurde die Feier von den polnischen Behörden als Veranstaltung mit erhöhtem Sicherheitsrisiko eingestuft. Das Gelände liege nahe an Deutschland, wo es im vergangenen Dezember in Berlin einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt gegeben habe, argumentieren Warschauer Regierende. Innenminister Mariusz Blaszczak zufolge dürfte das Festival gar nicht erst stattfinden.

Dass Owsiak dazu auch noch in Brandenburg untergebrachte Flüchtlinge ausdrücklich zum Festival einlud, missfiel Regierungsanhängern besonders. Die PiS lehnt die Aufnahme von Flüchtlingen aus Sicherheitsbedenken strikt ab. »Wollt ihr wirklich, dass zu der Feier in Polen muslimische Einwanderer kommen?«, machte die Partei auf Twitter Stimmung gegen »Woodstock«. »Teilt den Beitrag, wenn ihr damit nicht einverstanden seid«, hieß es weiter.

Den Regierenden ginge es nicht um Sicherheit, sondern darum, das Festival ganz zu verhindern, meint Owsiak. Sonst hätten sie knapp einen Monat vor Beginn wohl kaum die Zusammenarbeit mit deutschen Feuerwehren auf Eis gelegt, meint er. Denn bei »Haltestelle Woodstock« werden auch Tausende deutsche Besucher erwartet. Mitte Juli hatten polnische Behörden überraschend erklärt, dass sie auf die Wehren aus Berlin und Brandenburg wegen angeblicher Terrorgefahr verzichten wollten.

Für deutsche Polizeibehörden gilt die Absage nicht. Die Bundespolizei und ihre Brandenburger Kollegen werden mit einer kleinen Abordnung in Kostrzyn vertreten sein. Seit 2004 findet das »Woodstock«-Festival in der Grenzstadt statt. Die Zusammenarbeit deutscher und polnischer Sicherheitskräfte habe stets hervorragend funktioniert, betonten beide Seiten. Die Festival-Veranstalter bedauerten den überraschenden Wegfall der deutschen Helfer. Doch ein »Woodstock«-Sprecher sagte: »Auf die Sicherheit der Veranstaltung wird das keinen Einfluss haben.« Allerdings stellten die erhöhten Auflagen sowie die kurzfristige Suche nach privaten Sicherheitsleuten die Veranstalter vor weitere Kosten und Mühen. dpa

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal