»Er quälte sich«

Heute vor 25 Jahren starb Konrad Wolf

  • Lesedauer: 3 Min.
Antifaschismus musste man ihm nicht verordnen. Das hatte die Erfahrung bereits getan. Heute vor 25 Jahren starb Konrad Wolf, einer der großen DEFA-Regisseure (»Sterne«, »Ich war neunzehn«, »Der nackte Mann auf dem Sportplatz«, »Solo Sunny«). 1925 als Sohn Friedrich Wolfs geboren, sowjetischer Exilant und Rotarmist, Präsident der Akademie der Künste in der DDR. Seinen ersten Vortrag über die Zukunft Deutschlands hält er im Herbst 1945, noch in Uniform, vor Hallenser Studenten. Auf der Tafel im Hörsaal: ein Galgen aus Kreide, die Worte »Vaterlandsverräter«. Wolf stellt sich vor die Tafel und redet, er war zwanzig. So entstehen Empfindlichkeiten, so wird es einem Deutschen schwer, wieder Deutscher zu sein. Im Buch »Markus Wolf - Letzte Gespräche« (Das Neue Berlin/Neues Deutschland, 256 S., geb., 14,90 Euro), stellte Hans-Dieter Schütt auch Fragen zum Bruder. Im Folgenden Auszüge. Vorangestellt ist dem Buch ein Gedanke Konrad Wolfs: »Utopie ist Hoffnung, Hoffnung verlangt Arbeit. Unvernunft und blanker Schwachsinn dröhnen durch die Welt - da sollen wir uns in die Ecken verkriechen? Ich kann es nicht ...«
ND: Bei Thomas und Matthias Langhoff, Söhnen des Theaterregisseurs Wolfgang Langhoff, ist Thomas so etwas wie der Vater-Sohn geblieben. Er wurde als Regisseur unverwechselbar und war doch stets Verarbeiter, Weiterführer des väterlichen Werkes. Während Matthias Langhoff mit weit größerer Rationalität auf den Vater blickte. Lässt sich so etwas von den Brüdern Wolf erzählen?
Markus Wolf: Nein, allein schon dadurch nicht, dass ich keinen künstlerischen Beruf hatte. Es gab freilich auch zwischen Konrad und mir große Unterschiede, aber die hatten eher mit jeweils unterschiedlichen Charakteren zu tun. Was den Vater und sein literarisches Werk angeht, hat sich Koni stark damit beschäftigt, aber nie im Sinne eines lastenden Komplexes, also der Not, sich künstlerisch von etwas befreien zu müssen. Im Gegenteil - nicht nur, dass Koni »Professor Mamlock« verfilmte, es gibt viele Zeugnisse, dass der Vater unbedingt den Wunsch hatte, nachdem Koni die Filmhochschule in Moskau absolviert hatte, einen Film gemeinsam mit dem Sohn zu machen.

Haben Sie Ihren Bruder mitunter beneidet? Er hatte eine ganz andere Freiheit, sich mit Konflikten in der Gesellschaft auseinanderzusetzen.
Ich habe eher mit ihm gelitten. Sie sprechen von der Freiheit, sich mit Konflikten auseinanderzusetzen. Konrad war ein Mensch, der sich an diesen Konflikten aufrieb. Das entsetzliche 11. Plenum, die Zensur der »Sonnensucher«, die Versuche der SED-Bezirksleitung Halle, gegen den Film »Der geteilte Himmel« zu intervenieren (er wurde im Waggonwerk Ammendorf gedreht), dann die Ausweisung von Biermann, zu Zeiten, da Konrad Präsident der Akademie der Künste war - das habe ich als schwere Belastung seiner Psyche empfunden. Koni war für den Umgang mit diesen Verhältnissen vielleicht weniger gerüstet, als ich es wohl gewesen wäre. Er war ein guter Mensch, ein starker Mensch, aber er war auch ein sehr in sich gekehrter Mensch. Er quälte sich.

In einem Essay schreibt Christa Wolf, sie habe Ihrem Bruder gezürnt, weil der mit dem Freund Peter Weiss nicht zugewandt, ehrlich über die Konflikte in der DDR sprach: »Ich kann mich noch genau erinnern: Es war an einer Garderobe, da standen wir mit Konrad Wolf und haben zu ihm gesagt: Warum redest du mit Weiss nicht offen, du hast doch die gleiche Meinung wie wir! Er sagte: "Warum soll ich ihm Probleme unterbreiten, mit denen ich selber nicht fertig werde?"« Christa Wolf schreibt über Ihren Bruder auch: »ein Mensch, nie bereit dazu, sein Leben wegzuwerfen und sich zu verleugnen«.
Ich habe in der Art meines Bruders immer auch etwas von der notwendigen, wahrscheinlich sogar natürlichen Einsamkeit gesehen, mit der künstlerische Entscheidungen getroffen werden, unabhängig davon, ob man daheim am Schreibtisch sitzt oder in diesem Geselligkeitsbetrieb einer Filmproduktion arbeitet. Diese Einsamkeit ist für den Künstler, so denke ich, die eigentliche Verbindung zur Welt, eine Verbindung, die ja immer eine brüchige ist.

In der Biografie über Konrad Wolf, »Ein Leben zwischen Anpassung und Subversion«, von Wolfgang Jacobsen und Rolf Aurich, da wird auch »Goya« biografisch interpretiert, und die Spekulation nimmt den Inquisitor als Ihr Spiegelbild: »Der Großinquisitor ist ein kalt und messerscharf denkender Intellektueller, mit dem sich Goya bis zur beiderseitigen Erschöpfung duelliert. Beide Kontrahenten haben das gleiche Ideal, die gleiche Utopie, die eines Paradieses. Sie unterscheiden sich im Mut, die Frage zuzulassen, ob die erstrebte Utopie einer individuellen Differenzierung bedarf. Goya läßt die Zweifel gelten.«
Interessant. Wenn ein Kunstwerk viele Gedanken zulässt, auch jenen seltsamsten, der für den einen der nächstliegende, für den anderen der fernste ist - dann ist das doch gut.
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