Stullen und Schlagstöcke verboten

Besucher sind im neuen Schweriner Plenarsaal willkommen - doch es gelten einige Regeln

  • Hagen Jung, Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.

Spaßige Verse auf Mecklenburger Platt, Tanz, klassische Klänge, eine von des Redners humanistischer Bildung zeugende Festansprache, zuvor der einstündige Rückblick von Mecklenburg-Vorpommerns Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) auf die Baugeschichte: Harmonie pur erlebten die Gäste, die zur Eröffnung des neuen Landtagsplenarsaals ins Schweriner Schloss gekommen waren, unter ihnen Bundestagspräsident Norbert Lammert. Gepflegter Small Talk zog sodann durch die Tagungsstätte, Wortscharmützel waren noch fern.

Doch schon am Mittwoch wird der Hauch von Polit-Noblesse verflogen sein, wenn das Präsidium zur Haushaltsdebatte aufruft - ein parlamentarischer Termin, der nicht selten von heftigen Auseinandersetzungen geprägt ist. Erst in solchen Stunden beginnt ein Plenarsaal zu leben, wird es in ihm interessant für Bürgerinnen und Bürger, die einmal vor Ort sehen und hören möchten, was die von ihnen gewählten Volksvertreter leisten - und auch, was sie sich leisten.

In der vergangenen Legislaturperiode hatten rund 490 Gruppen mit insgesamt 16 500 Besucherinnen und Besuchern die Chance genutzt, in Schwerin den Landtag live zu erleben. Im alten Plenarsaal konnten nur 40 Interessierte das Tun und Lassen der Abgeordneten verfolgen. Der neue Saal nun wird von zwei Tribünen flankiert, die von insgesamt 96 Besucherplätzen gute Sicht auf das Parlament gestatten. Auch die Akustik auf jenen Galerien überzeugt; nun sind auch Zwischenrufe, die im alten, schlauchartigen Saal zumeist in einem undefinierbaren Klangbrei verhallten, deutlich hörbar.

Gruppen, die sich davon überzeugen möchten, sollten sich möglichst früh vor dem gewünschten Sitzungstag beim Besuchsdienst des Landtages anmelden. »Günstig ist etwa ein halbes Jahr vorher«, rät Landtags-Sprecher Dirk Lange. Der Aufenthalt einer jeden Gruppe im Plenarsaal dauert etwa eine Stunde, darüber hinaus bietet der Besuchsdienst ein Rahmenprogramm, in dem er über Zusammensetzung und Arbeitsweise des Landtages sowie über die jeweilige Tagesordnung und die Abläufe im Plenum informiert.

Auch Einzelbesucher, die sich ein paar politische Stunden im neuen Plenarsaal gönnen wollen, sind dort gern gesehen. Eine Anmeldung ist empfehlenswert, doch auch, wer spontan zu einer Sitzung kommt, wird eingelassen, sofern es freie Plätze gibt und der Gast seinen Personalausweis bei sich hat. Der ist wichtig für den Sicherheitscheck am Eingang. Dort werden Besucher seit dem G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm kontrolliert. Dass dies sinnvoll sei, so die Landtagsverwaltung, belegen gefährliche Gegenstände, die bei Besuchern entdeckt wurden: Schlagstöcke beispielsweise und Springmesser. Das Durchleuchten von Taschen hat manche Besucher auch erfreut, wurden dabei doch schon mehrmals Dinge gefunden, die von ihrem Besitzer seit längerer Zeit vergeblich gesucht worden waren.

Doch nicht allein gefährliche Gegenstände sind für den Besuch im Plenarsaal ein Tabu. Mäntel und Jacken, größere Taschen und Rucksäcke müssen an der Garderobe abgegeben werden, besagt die Hausordnung. Zudem verwehrt sie Besuchern den Zutritt, deren Kleidung »eine politische Gesinnung ausdrückt«. Auch Stullenpakete und Thermospullen sind verpönt. Das Reglement verbietet Essen und auch Trinken im neuen Plenarsaal, der »förmlich inspiriert, geistig Impulse anzumahnen in Zeiten der Gefährdung unserer Demokratie« - so ließ sich der ehemalige Landtagspäsident Rainer Prachtl in seiner Festrede zur Saaleröffnung vernehmen.

Faktisches aus dem Baugeschehen dominierte dagegen die Ansprache von Landtagspräsidentin Bretschneider, so etwa der Hinweis auf die Kosten: 30 Millionen Euro seien mittlerweile für dringende Arbeiten im Schloss aufgewendet worden, darin enthalten sieben Millionen für die »Umwandlung« des einstigen Goldenen Saales zum Plenarsaal. Mit dessen Eröffnung aber, so Bretschneider, sei das Bauen im Schloss nicht zu Ende; es gebe dort noch viel zu tun.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal