Tonnenideologie trifft Tourismus

Wirtschaftsminister Gerber beschwert sich über mangelnden Ausbau der Wasserstraßen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach den ergiebigen Regenfällen der vergangenen Zeit sind Seen und Flüsse in Brandenburg wieder gut gefüllt, so dass der Bericht der Landesregierung an den Landtag »Wasserstraßennetz erhalten - Wassertourismus und Binnenschifffahrt weiter stärken« sozusagen Tiefgang hatte.

Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) kritisierte die Bundesregierung am Freitag dafür, dass sie in ihrem Konzept »Das blaue Band« den märkischen Wasserstraßen zu wenig Beachtung schenke und sie durchweg einer niedrigen Bedeutungskategorie zuordne. Mit dem Konzept des Bundes, das keinen grundsätzlichen Ausbau von brandenburgischen Flüssen und Kanälen vorsieht, »habe ich meine Schwierigkeiten«, unterstrich Gerber. Hier werde einer »Tonnenideologie« gehuldigt. Wenn es bei der Prioritätensetzung nur um den Umfang des Güterverkehrs gehe, ohne dass auch die Bedeutung des Wassertourismus in die Betrachtung einbezogen werde, dann sei das »völlig absurd«. Allein im Wassertourismus werden im Land Brandenburg 200 Millionen Euro Umsatz im Jahr erwirtschaftet.

Der Minister verwies auf eine erneute Steigerung der Touristenzahlen von 4,6 Millionen auf 4,9 Millionen im Jahr 2016 und darauf, dass die Übernachtungszahlen um 340 000 auf jetzt 12,9 Millionen angewachsen seien. Das sei in erster Linie dem Fleiß der Wirte und Gastronomen sowie ihrer Angestellten geschuldet, doch müssten Rahmenbedingungen auch von der Politik gesetzt werden. Die Absage an den Ausbau der märkischen Wasserstraßen führe zur Verunsicherung der Unternehmen und sei auch angesichts der Tatsache nicht zu begreifen, dass hier das »größte zusammenhängende Wassersportgebiet Europas« gleichsam abgehängt werde. Damit meinte Gerber das Seengebiet, das bedeutende Teile Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns bedeckt.

Um den Bund zu einem Umdenken zu bewegen, könne sie sich »eine gemeinsame parlamentarische Initiative vorstellen«, sagte die Abgeordnete Barbara Hackenschmidt (SPD). Es bleibe zu wünschen, dass CDU und Grüne in einer möglichen Bundesregierung nicht gegen die Interessen des Ostens handeln.

Der CDU-Abgeordnete Frank Bommert mahnte die rot-rote Landesregierung, sich nicht mit Dingen zu schmücken, die sie nicht verantworte. Um touristische Ziele attraktiv zu machen, habe sich schließlich nicht die Regierung hoch verschuldet, sondern Unternehmer hätten dies getan, sagte Bommert und verwies auf Beispiele in Wittenberge. Solchen risikobereiten Menschen schulde man, dass »die Rahmenbedingungen verbessert« werden. Die Schleusen im Land seien aber weiterhin ein Nadelöhr, an ihren verkürzten Betriebszeiten habe sich trotz verschiedener Anfragen nichts geändert. Gegen die verkürzten Betriebszeiten der Schleusen Woltersdorf, Neue Mühle, Kummersdorf, Storkow und Wendisch-Rietz hatte 2015 der LINKE-Politiker Stefan Ludwig protestiert. Da war er noch Landtagsabgeordneter und nicht Justizminister. Er hatte zu einer Bootsdemonstration der Freizeitkapitäne aufgerufen.

Es gehe nicht nur um viele Möglichkeiten, Boot zu fahren, sondern auch darum, dass dies auf qualitativ hochwertigem Wasser stattfinden könne, sagte die Abgeordnete Heide Schinowski (Grüne). Für die Reinigung oder Sauberhaltung der Fließgewässer müsse mehr getan werden, um deren Attraktivität zu erhalten. Dies sei umso dringender, als sich der Naturtourismus dynamischer entwickle als andere Sparten des Fremdenverkehrs. Dazu gehöre, die Spree vor der Braunfärbung durch Eisenhydroxid zu schützen. Was hier als strategischer Gesamtplan angeboten werde, löse eher Fassungslosigkeit aus. »Dazu hätten wir im Bericht gern etwas mehr gelesen.«

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