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Dem Handwerk geht’s gut wie lange nicht

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

»Besser geht es praktisch nicht mehr«, sagte der Präsident des brandenburgischen Handwerkskammertages, Robert Wüst, am Mittwoch in Potsdam. Die Auftragslage sei hervorragend, vor allem im Baugewerbe seien die Auftragsbücher auch über den Winter prall gefüllt.

Begünstigt durch die robuste Binnennachfrage und das anhaltende Zinstief bewerten inzwischen 95,2 Prozent der befragten Mitgliedsbetriebe ihre Geschäftslage mit gut oder befriedigend (2016: 94,7 Prozent). Die Auftragseingänge haben, insgesamt betrachtet, im Vergleich zum Vorjahr nochmals zugelegt. Die Kammerbetriebe vermelden zurzeit ein Auftragspolster von 8,7 Wochen.

»Die Kunden müssen sich auf längere Wartezeiten einstellen«, sagte Hauptgeschäftsführer Ralph Bührig. Ausdrücklich lobte er, dass die Handwerker ihre langjährige Zurückhaltung aufgegeben haben und jedes dritte Unternehmen mehr Geld für Waren und Dienstleistungen verlange. »Wir wollen unseren Mitarbeitern einen guten Lohn bieten, und deshalb sehen wir diese Entwicklung positiv.«

Aus der seit Jahren guten Bilanz fällt vor allem das Lebensmittelhandwerk heraus. Es gerät weiter unter Druck, weil Handelskonzerne ihm mit Back- und Frischfleischtheken starke Konkurrenz machen. Nur 60 Prozent der Bäcker und Fleischer zeigen sich mit der gegenwärtigen Geschäftslage zufrieden. Das ist ein Minus von 23 Prozentpunkten.

Der Landtag hat die Landesregierung beauftragt, eine finanzielle Unterstützung der Meisterausbildung zu prüfen. Handwerker müssen für den Meisterbrief bis zu 12 000 Euro hinblättern. Laut Robert Wüst, der auch Präsident der Handwerkskammer Potsdam ist, sieht das Wirtschaftsministerium in dieser Frage eher den Bund in der Verantwortung.

Eine abgeschlossene Meisterausbildung ist nötig, um einen Meisterbetrieb zu führen. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre ist die Zahl der Handwerksbetriebe im Kammerbezirk Potsdam um rund 200 auf 17 200 gesunken, weil die Nachfolge innerhalb der Familie heute viel weniger selbstverständlich ist als früher. Viele Meister, die nach 1990 mit durchschnittlich 40 Jahren ihren Betrieb eröffneten, sind nun im Rentenalter, finden aber keinen Nachfolger. Hier rächt sich auch die noch immer geringe Investitionsbereitschaft der Handwerker. Wer sich in absehbarer Zeit aus der Unternehmensführung zurückziehen will, neigt selten zu hohen Neuinvestitionen. Wer als Nachfolger infrage kommt, will aber - wenn überhaupt - keinen verschlissenen Betrieb übernehmen.

Auch um die Berufsausbildung im Handwerk steht es nicht gut, obwohl 2017 im Kammerbezirk Potsdam 1208 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen wurden - 61 mehr als 2016. Während vor zehn Jahren noch 12 000 junge Leute eine Ausbildung im Handwerk absolvierten, sind es jetzt ganze 3000. Dagegen strebt heute jeder zweite Schulabgänger das Abitur an, in der Stadt Potsdam sind es 60 Prozent. Dem Handwerk geht so der Nachwuchs aus.

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