»Komm zurück zu Mutti«

Rückkehrerinitiativen werden vom Land gefördert - ein Netzwerk wirbt um Ausgewanderte

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Landesregierung lässt sich die Rückkehr von einstigen »Auswanderern« etwas kosten. Die Staatskanzlei unterstützt die Koordinierung von lokalen Initiativen, unter anderem das Modellprojekt »Wege ins Land. Vernetzte Heimat Brandenburg« mit 50 000 Euro. Über einige Jahre hinweg werden das mehrere Hunderttausend Euro sein.

Neben einer Postkartenaktion unter dem Motto »Komm zurück zu Mutti« wirbt der neue Verbund jetzt auch im Internet unter dem Titel »Brandenburger entlaufen«. Tatsächlich waren es aber vor allem junge Frauen, die Brandenburg in den vergangenen Jahrzehnten den Rücken gekehrt hatten. Vor dem Mauerbau sind Ostdeutsche zu Millionen in den Westen geströmt. Nach 1990 wiederholte sich das. Rund 1,5 Millionen Ostdeutsche haben seit der Wende die neuen Bundesländer auf der Suche nach Arbeit und Auskommen verlassen, sagte am Donnerstag Staatskanzleichef Thomas Kralinski. Doch nun habe sich der Trend umgekehrt, inzwischen würden im Jahr etwa 3000 Menschen mehr in das Land einwandern als fortziehen. Diesen Neu-Alt-Brandenburger seien in der Regel gut ausgebildet, ihre Karriereplanung sei abgeschlossen oder zumindest fortgeschritten, und sie würden dem Bundesland guttun, denn sie würden viel für die wirtschaftliche und auch familiäre Stabilität erreichen.

Tatsache ist, dass es aufgrund des Absturzes der Absolventenzahl von Schulen und Gymnasien auf 40 Prozent auch viel weniger junge Menschen gibt, die wegziehen könnten. Noch vor 15 Jahren versprach die öffentliche Hand jenen Menschen ordentlich Geld, die ihre Koffer packten, um »in den Westen« zu gehen, sogenannte »Wegzieherprämien«. In jüngster Zeit stellte sich das Gegenteil ein, wurde zum Teil mit finanziellen Anreizen geworben, wenn es galt, Rückkehrwünsche in die Tat umzusetzen. Aktuell sind aber dafür keine Mittel vorgesehen, sagte Sandra Spletzer, Koordinatorin des Netzwerks »Ankommen in Brandenburg«.

Staatskanzleichef Kralinski verwies auf die günstigen Bedingungen, die Rückkehrer heute im Land Brandenburg vorfinden. Die Arbeitslosigkeit sei von annähernd 20 Prozent auf sechs Prozent gesunken, die Lohnentwicklung sei gut. Noch vor zehn Jahren hatte die Landesregierung aus SPD und CDU Investoren mit dem Argument anlocken wollen, dass im Osten nur 62 Prozent vom Westgehalt gezahlt werde.

Dass es auch heute nicht problemlos ist, wieder in Brandenburg sesshaft zu werden, bestätigte Sven Guntermann, Vorsitzender des Vereins »Generationen gehen gemeinsam«. Daher seien Beratung und Betreuung angezeigt. Entschieden bestritt er, dass vor allem jene Menschen den Weg in die alte Heimat fänden, die es andernorts zu nichts gebracht hätten. Eher das Gegenteil sei der Fall.

Es lässt sich nicht so ohne Weiteres herausfinden, was aufgrund solcher Rückkehrer-Initiativen praktisch erreicht wird oder ob nicht auch mehr Menschen ganz ohne eine solche Unterstützung wieder in ihre Heimat ziehen. Laut einer - allerdings schon fünf Jahre alten - Studie tragen sich fast 50 Prozent der in die Welt hinausgezogenen Brandenburger zumindest gelegentlich mit Rückkehrgedanken. Weil sie vor allem zu Ostern und Weihnachten ihre in der alten Heimat zurückgebliebenen Verwandten besuchen, ist das die Zeit der Postkarten-Aktion sagte die Koordinatorin Spletzer. Es habe keinen Sinn, diese Karten zwischen Kiel und Zittau auszulegen, vielmehr müssten sie die Angehörigen derer in die Hand bekommen, die man ansprechen wolle.

Sein Verein »Zuhause in Brandenburg« sei im Gespräch mit einer Personenzahl »im niedrigen dreistelligen Bereich«, sagte Vorstandsmitglied Falko Zurell. Übereinstimmend versicherten die Vertreter lokaler Initiativen, dass der geplante Abriss von rund 70 000 seit langer Zeit leer stehenden Wohnungen in entlegenen Regionen für Rückkehrer nicht unbedingt ein Hindernis sei. Es sei denn, sie kämen, wie Staatssekretär Kralinski sich wünschte, wirklich alle wieder nach Hause. Wer aber im Westen gelebt und gearbeitet habe, den ziehe es eher nicht in einen DDR-Plattenbau, der würde sich vielmehr lieber ein Haus kaufen oder selbst eins bauen. »Wenn Brandenburg eines hat, dann ist es Platz«, sagte Daniela Herling vom Verein »Wachstumskern Autobahndreieck Wittstock/Dosse«.

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