Jung und Alt lernen voneinander

In Mehrfamilienhäusern verbringen Generationen viel Zeit miteinander

  • Britta Gürke
  • Lesedauer: 3 Min.
Während der »Leih-Opa« einem kleinen türkischen Jungen eine Geschichte vorliest, lassen ein Stockwerk tiefer die »Frauen ab 60« beim orientalischen Tanzkurs die Hüften kreisen. Auf der Dachterrasse des Seniorenheims gegenüber wird gerade ein Spielplatz gebaut, auf dem bald Kindergartenkinder unter den aufmerksamen Augen der Heimbewohner herumtoben dürfen. Im Mütterzentrum Fürth verbringen Jung und Alt schon seit einigen Jahren viel Zeit miteinander. Seit gestern heißt das Haus in der Altstadt auch offiziell Mehrgenerationenhaus. Das Mütterzentrum in der bayerischen Stadt ist eines der ersten 50 Häuser bundesweit, die bis Ende März ihre Generationen übergreifenden Aktivitäten ausbauen und dafür Geld vom Staat bekommen. »Junge und alte Menschen können unheimlich viel voneinander lernen«, sagt die Vorstandsvorsitzende des Zentrums, Kerstin Wenzl. Im Rahmen des gleichnamigen Bundesprogramms soll künftig in jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt Deutschlands ein solches Haus mit Angeboten für Menschen jedes Alters entstehen. Hier sollen Junge und Alte gemeinsam ihre Zeit verbringen, sich gegenseitig aushelfen und ihre Freizeit miteinander gestalten. 439 Häuser sollen es insgesamt werden. Jede der Einrichtungen wird über fünf Jahre mit jährlich 40 000 Euro gefördert. Über 900 soziale Einrichtungen hatten sich um die Gelder und den Titel beworben. Mehrgenerationenhäuser sollen nach den Plänen des Bundes die Lücke schließen, die durch den Bedeutungsverlust der Großfamilie sowohl im Leben der Jungen wie der Alten entsteht. Jede Generation soll ihr Wissen und ihre Erfahrungen an die anderen weitergeben. Zudem sollen sich Senioren und junge Menschen gegenseitig im Alltag helfen, etwa bei der Kinderbetreuung oder der Hausarbeit. Im Fürther Mütterzentrum gibt es schon seit Gründung vor 20 Jahren viele Beispiele, dass so ein Austausch funktionieren kann. Neben einer täglichen Kinderbetreuung durch professionelle Erzieherinnen und Mütter gibt es etwa den »Großelternpatendienst«, bei dem ältere Menschen mit jungen Familien zusammengebracht werden. »Die Älteren passen etwa ein paar Stunden auf die Kinder auf, während die Jüngeren den Leihgroßeltern dafür den Rasen mähen oder mit ihnen einkaufen gehen«, erklärt Wenzl das Konzept. Seit einigen Jahren besteht zudem eine enge Partnerschaft mit dem Seniorenheim auf der anderen Straßenseite. »Viele ältere Menschen kommen zu uns, lesen den Kindern vor oder sind bei Spielenachmittagen dabei«, sagt Wenzl. In Zukunft kommen die Generationen in einer neu eingerichteten Kinderkrippe noch enger zusammen. »In einem Raum des Seniorenzentrums eröffnen wir bald eine neue Kinderkrippe und ein Begegnungscafé. Die Terrasse des Heims wird dann als Spielplatz genutzt.« Als günstige Alternative zum Seniorenheim wurde kürzlich ein Gemeinschaftshaus für Senioren in Göritz (Uckermark) offiziell eröffnet. Das Modellprojekt wurde vom Agrarministerium des Landes Brandenburg mit fast 350 000 Euro gefördert. Die Senioren-WG entstand in einem leer stehenden Haus und bietet zehn kleine Appartements von 15 bis 25 Quadratmeter Größe. Für die Betreuung der älteren Menschen werden fünf bis acht Pflegekräfte eingestellt. Der rund 1000 Einwohner zählende Ort verfüge über eine gute Infrastruktur, wie Geschäfte, Gaststätte und Kirche.

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