Zwei Bewerber auf einen Ausbildungsplatz

Beim Lehrstellenangebot in der Uckermark ist von einem angeblichen Fachkräftemangel nichts zu spüren

Arbeitsagentur und Unternehmerverbände ermuntern junge Berliner immer wieder, sich bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz doch auch in Brandenburg umzusehen. Insbesondere den Nordosten Brandenburgs können sie damit aber nicht gemeint haben. Denn dort gibt es gar kein Überangebot. Im Gegenteil.

Wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am Mittwoch mitteilt, schaffen es die Unternehmen in Ostbrandenburg »nicht annähernd, für alle Bewerberinnen und Bewerber einen betrieblichen Ausbildungsplatz anzubieten«. Im der Uckermark kommen demnach statistisch auf einen Bewerber nur 0,53 Ausbildungsplätze. Dies ist der schlechteste Wert im Land Brandenburg. In Oberhavel sind es 0,72 Ausbildungsplätze, im Barnim 0,72 und in Märkisch-Oderland 0,83. Damit liegen alle diese Landkreise noch unterhalb des Berliner Werts, der 0,84 beträgt. Doch auch in Oder-Spree und Frankfurt (Oder) gibt es mehr Bewerber als Lehrstellen.

Fakten
  • Zwischen Oktober 2016 und Ende September 2017 meldeten sich 14 521 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz bei der Arbeitsagentur, bei den Jobcentern oder bei den Jugendberufsagenturen im Land Brandenburg. Das waren ungefähr so viele wie im Jahr zuvor.
  • Die Zahl der von den Betrieben angebotenen Lehrstellen stieg dieses Jahr um 515 auf 13 640.
  • Ende September waren noch 1169 junge Menschen unversorgt. 1689 Ausbildungsplätze waren zu dieser Zeit noch nicht besetzt. af

Aber der DGB rechnet noch ganz anders. Unter Berufung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts geht die Gewerkschaft davon aus, dass von einem ausgeglichenen Ausbildungsmarkt erst bei 112,5 Ausbildungsplätzen auf 100 Bewerber gesprochen werden könne. Dieses Kriterium erfüllen im Land Brandenburg nur Potsdam (152 Stellen je 100 Bewerber), die Prignitz (145) und Potsdam-Mittelmark (142) sowie Spree-Neiße und Teltow-Fläming mit je 115 Stellen pro 100 Bewerber.

Die Zahlen für Ostbrandenburg nennt der dortige DGB-Regionsgeschäftsführer Sebastian Walter »alarmierend«. Nach seiner Ansicht belegen die Zahlen »das genaue Gegenteil von dem, was landauf und landab über junge Menschen und den vermeintlichen Azubi-Mangel berichtet« werde. »Richtig ist, dass in Brandenburg nicht einmal 14 Prozent der Betriebe ausbilden. Es stellt sich die Frage, ob der Fachkräftemangel also tatsächlich so stark sein kann, wie von den Unternehmen immer gern behauptet wird«, sagt Sebastian Walter. Unbesetzte Lehrstellen seien insbesondere in Bereichen zu finden, die immer wieder wegen schlechter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen in der Kritik stehen. Nicht von ungefähr seien mehr als 20 Prozent der Lehrlinge mit ihrer Ausbildung unzufrieden.

»Ich halte es für einen Skandal, dass über 60 Prozent der Azubis ausbildungsfremde Tätigkeiten ausführen müssen und jeder vierte Azubi regelmäßig Überstunden leisten muss«, sagte Walter. Das große Engagement der Mehrheit der Ausbildungsbetriebe verdiene Anerkennung, doch bei der Ausbildungsqualität müsse dringend nachgebessert werden.

Der DGB Ostbrandenburg fordert eine ehrliche Debatte über den aktuellen Ausbildungsmarkt und gemeinsame Anstrengungen für gute Ausbildungsplätze. Den die betriebliche Ausbildung sei ein wichtiges Fundament für die weitere Entwicklung der Region und könne junge Menschen im Osten Brandenburgs halten. »Dafür brauchen wir für jeden Bewerber und jede Bewerberin mindestens einen passenden Ausbildungsplatz hier vor Ort«, betont Walter.

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