Wenn das Pflegeheim zu teuer wird

Altenpfleger müssen dringend mehr Lohn erhalten. Doch wer soll das bezahlen?

Je nach Pflegestufe bis zu 500 Euro mehr im Monat sollen Bewohner etlicher Altenheime der Arbeiterwohlfahrt (AWO) bezahlen. Die Nachricht sorgt für Verunsicherung, Angst und Empörung bei den Betroffenen und ihren Angehörigen. Denn bei vielen werden Rente und Pflegeversicherung nicht mehr ausreichen, um ihre Unterbringung zu finanzieren. Die Kinder müssten etwas dazuzahlen, und wenn diese das nicht können, bliebe nur der Weg zum Sozialamt. Es wird erzählt, dass Kinder ihre pflegebedürftigen Eltern wegen der Heimkosten nach Hause holen.

Aber einen Vorteil hat die Misere. Seit darüber berichtet wird, hat die AWO erheblich weniger Schwierigkeiten, Personal zu finden. Auf dem Schreibtisch von Landesgeschäftsführerin Anne Baaske stapeln sich 30 Bewerbungen. Stellenanzeigen in Zeitungen muss sie nicht mehr schalten.

Denn in allen Berichten über die steigenden Kosten für die Heimbewohner taucht die Begründung dafür auf: Die Tarifgemeinschaft der AWO Brandenburg hat sich mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geeinigt, dass die Beschäftigten ab Februar 2018 mehr Lohn erhalten. Pro Nase seien es brutto etwa 600 Euro mehr im Monat, erläutert Baaske. Wie viel genau die Beschäftigten insgesamt überwiesen bekommen, hängt von der Ausbildung und der Berufserfahrung ab. So liegt das Grundgehalt für einen Altenpfleger künftig bei 2315 Euro brutto im Monat, plus 300 Euro Zuschlag, wenn er seinen Job bereits knapp 20 Jahre macht.

Die Entlohnung sei schon immer etwas besser gewesen als bei der Konkurrenz, nun aber auch spürbar besser, erklärt die Geschäftsführerin. Da ziehen Kollegen einen Wechsel zur AWO in Betracht, und junge Leute überlegen sich nun vielleicht eher als früher, eine Ausbildung als Altenpfleger zu beginnen. Das Problem der Branche ist bislang, dass die Tätigkeit körperlich und seelisch belastend ist, aber oft hundsmiserabel bezahlt wird.

»Die Volkssolidarität in Brandenburg begrüßt es, wenn Pflegekräfte endlich angemessen bezahlt werden«, sagt deren Verbandsratsvorsitzender Bernd Niederland. »Ein akzeptables Einkommen der Pflegekräfte würde dem gesellschaftlichen Wert der Pflege gerecht werden und ist sozialpolitisch lange überfällig.« Die Höhe der bisherigen Einkommen sei »deutlich ungenügend«, und dies sei die »entscheidende Ursache für den akuten Fachkräftemangel« sowohl in den Pflegeheimen als auch bei den Pflegediensten.

Niederland warnt jedoch davor, die finanzielle Last allein den Pflegebedürftigen aufzubürden. Schließlich werden diese ja bereits jetzt aufgrund des »Teilkasko-Charakters der Pflegeversicherung an den Pflegekosten erheblich beteiligt«. Es dürfe auch nicht sein, dass die berechtigten Interessen der Pflegekräfte gegen die Ansprüche pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen an eine qualitativ hochwertige Versorgung ausgespielt werden. Nach Ansicht von Niederland müsste die Politik schnellstmöglich Maßnahmen zur Finanzierung der durch Tarifabschlüsse entstehenden Mehrkosten einleiten, etwa Zuschüsse aus Steuermitteln gewähren.

»Das Konstrukt der Pflegeversicherung als Teilkaskoversicherung ist gescheitert«, meint die Landtagsabgeordnete Bettina Fortunato (LINKE). Sie erklärt: »Pflegebedürftige und ihre Angehörigen dürfen nicht aufgrund eines ständig steigenden Eigenanteils in die Sozialhilfe getrieben werden.« Der Bundestag sei gefordert, »zügig die jetzt zutage tretenden Fehler zu beheben«. Die Leistungen der Pflegeversicherung müssten regelmäßig und automatisch angepasst werden. Die LINKE wolle eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte - aber solidarisch finanziert, betont Fortunato.

Auch AWO-Landesgeschäftsführerin Baaske weiß, dass die Pflegeversicherung derzeit lediglich einen festen Betrag für die Versicherten bereithält. Der Betrag passe sich nicht an steigende Kosten für Pflege und Unterkunft an. Als Festrednerin bei Jugendweihen ermahnt Baaske die Jugendlichen regelmäßig, von ihren Geldgeschenken etwas für das Alter zurückzulegen. In der ersten Reihe machen die jungen Leute große, verständnislose Augen, erzählt Baaske. Doch die Großmütter auf den hinteren Plätzen nicken zustimmend.

Anne Baaske rät zur privaten Vorsorge. Aber das ist so eine Sache. Ein Beispiel: Vor 23 Jahren schloss ein Freiberufler aus Potsdam, der heute Mitte fünfzig ist, eine private Pflegeversicherung ab. Damals ist ihm zugesichert worden, er müsse später nichts von seiner Rente abknapsen. Er sei für die Zukunft voll abgesichert. Vor einem halben Jahr erhielt er eine Mitteilung, dass die Versicherung die monatlich zu zahlenden Beiträge verdoppelt, die für später versprochenen Leistungen jedoch halbiert.

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